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Aufgelaufen

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Titel: Aufgelaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koehn
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den wenigen Steinen gab er Susa.
    „Steck es dir vorne rein und pass auf, dass du es beim Pinkeln nicht ve r lierst!“
    „Und bei der Zollkontrolle?“
    „Die werden denken, du hast Blasensteine oder bist schwanger.“ Dabei schwoll sein Gesicht im Lachen an. Er hatte das Gefühl, lange nicht mehr so fröhlich gewesen zu sein. Gut, er hatte auch über Jahre nicht in sich nachgesehen, sonst hätte er es besser gewusst. Darüber, übers Lachen und über andere Nachrichten von innen. Doch andererseits hatte er ursprün g lich gar nicht vor, sich damit zu beschäftigen. Dieser Lachanfall passierte eher zufällig, wie vieles.
    „Lassen wir’s dabei“, rief er sich deshalb zur Ordnung.
    „Abflug, Susa!“
    „Und ich?“
    „Du gehst in die Lobby und küsst deinen Lover wach.“
    „Ich liebe dich trotzdem!“
    „Liebe wen du willst, aber lass mich in Ruhe. Und keine faulen Tricks, du kennst mich!“ Er meinte aber lediglich, sie sollte ihn kennen, so wie er sich kannte. Seine wechselnden Stimmungen, die in letzter Zeit geringe Fähigkeit, vorauszuplanen. Seinen Ärger, der immer zur Unzeit ausbrach und in gewalttätigen Explosionen mündete, wenn seine Handlungen von anderen kritisiert oder behindert wurden. Aber sie kannte ihn nicht, nicht so. Sie kannte den Pierre, der nachts mit einer Tasche vor ihr stand und sich morgens in das Auto eines Rentners setzte, der das letzte Abenteuer seines Lebens erleben wollte und verpasste. Diesen Pierre kannte sie und verstand wohl kaum, was diese Worte bedeuteten. Also drohte er noch einmal: „Du kennst mich!“
    Und es war immer wieder das alte Spiel: Um den eigenen Willen durc h zusetzen, musste man Widerstand brechen, mit Gewalt. Umsonst war nicht mal der Tod wirklich. Und den hätte er sich am liebsten auf dem Rückflug mit Eisbier und Schnaps schön gesoffen. So austauschbar tros t los blieben die Ideen, als wären sie füreinander bestimmt.
     
    Auf dem Flughafen Hamburg, nach der Zollkontrolle, begleitete Pierre Susa auf die Damentoilette. Nachdem sie sich geöffnet hatte, spülte er das Säckchen im Waschbecken ab. Fünf Steine ließ er drin, den Rest steckte er ein.
    „War’s das?“
    „Das war’s!“
    „Liebst du mich denn nicht ein bisschen?“
    „Nein.“
    „Schade, ich hätte alles für dich getan. “
    „Ich weiß.“
    „Meldest du dich wenigsten s ab und zu?“
    „Nein.“
     
    Sie ging, in eine neues Leben oder zurück ins alte. Was immer es war, es war besser so.
    Nach Hause (konnte er das sagen?) nahm er ein Taxi. Auf dem Kahn stand mit roter Farbe: MÖRDER.
    „Ich hab’s nicht abbekommen!“, schniefte Marie zur Begrüßung.
    „Was machst du denn hier?“
    „Ich habe auf das Schiff aufgepasst. Ich wusste doch, dass du wiede r kommst.“
    „So.“
    „Und, fällt dir nicht auf, wie sauber es ist?“
    „Doch, muss von der Spurensicherung sein, die haben doch sicher den letzten Winkel durchsucht.“
    „Pustekuchen! Was meinst du, wie das hier aussah? Der reinste Saustall! Vierzehn Tage hab ich gebraucht!“
    „Und wie lange bist du schon hier?“
    „Gleich nachdem sie dich abgeholt haben ...“
    „Was? All die Monate?“
    „Ja.“
    „Und Emil?“
    „Der ist weg.“
    „Wie – weg?“
    „Na weg!“
    „Einfach so?“
    „Nö, nicht einfach so. Ich hab ihm gesagt, dass ich zu dir ziehe.“
    „Und das hat der geschluckt? Erzähl doch nicht so ’nen Scheiß!“
    „Doch, hat er aber!“
    Danach gab es nichts mehr zu sagen. Danach hatten sie nachzuholen, was nicht nachzuholen war; jedenfalls nicht das, was man wiederzufinden glaubte.
     
    Die Zeit zersprang. Augenblicke bestimmten ihn. Und später hing sein Hass blau aufgeschwollen am Fensterbalken. Der tagtägliche Kampf g e gen Recht und Gesetz schien zu schlafen, wie tot.
     

14
     
     
    „Wir sollten nach Polen, ans Grab!“
    „Du willst mich mitnehmen?“, war sie erstaunt. Pierre staunte auch.
    Ein hoch gewachsener grauhaariger Mann mit seltsam leiser Stimme erwartete sie am Bahnhof.
    „Ich spreche Deutsch!“
    „Fein.“
    „Wollen wir gleich auf den Friedhof?“
    „Ja, bitte.“
     
    Zehn Minuten dauerte die Fahrt in einem klapprigen Seat.
    Der Kirchhof morsch an allen Ecken, Staub tanzte um tausendjährige müde Bäume, darunter die gepflegten Gräber.
    Einen Ring und eine Uhr wühlte Pierre mit bloßen Händen in die Erde, putzte sich die Hände am Papiertaschentuch ab.
    „Danke, dass Sie meine Söhne nach Hause gebracht haben und Verze i hung, dass Sie dafür soviel

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