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Aufgelaufen

Aufgelaufen

Titel: Aufgelaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koehn
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zum Beispiel, in diesem schmalen Gang auf dem Kahn. Da fragte man nicht: „Verzeihung, Herr Kriminalrat, darf ich mal vorbei ...“
    Nicht in diesem versetzten Tun. Hier war man beieinander und einer musste ja stürmen, und das würde er sein, er, gefolgt von den anderen, dem schäbigen Rest. Die konnten sich hinten anstellen, wie immer. Und wenn er sich dann umblickte, war niemand weiter zu sehen auf diesem unmöglichen Weg durch die Entscheidungen. Nun, endlich war er hier, zwischen Stahl und Wand – allein. Zum Kotzen! In solchen Momenten schlägt die Wahrheit ins Hirn, in die Sprache, spricht Mut zu: „Handeln musst du!“, schreit sie. Doch schon die nächste Welle des Nachdenkens darüber traf sein Herz. Der Oberschenkel zuckte kurz unter dem Gesäß, dann der Arm. Das Rucken und Zucken ging weiter.
    „Weg da! Hände über den Kopf!“, brüllte er in das Druckgefühl an se i ner Wade, „O der ich werde das Magazin leerballern!“ Nicht ganz nach Vorschrift, aber eindrucksvoll. Bei anderen sah es schlimmer aus, wenn sie so ranmussten. Andererseits hörte er die nachstürmenden Kollegen über irgendwas lästern. Über den Kriminalrat, hoffte er. Doch nein, die meinten ihn, sagten, dass er über die Jahre auf seinem geruhsamen Posten in Schnackenburg immer dicker geworden sei. Dass er durch keinen Ei n gang mehr passe, kaum in den hier üblichen engen Wohnzimmern Platz fände.
    Doch egal, keine Zeit, sich zu ärgern. Außerdem musste er ihnen ve r trauen, denn wenn er getroffen wurde, wie tot dalag, müssten genau die ihn wiederbeleben. Jetzt kniete er, die Waffe in der Hand und war veran t wortlich dafür, dass hier nicht Chaos losbrach. Dann, danach, würde es heißen, Blut und Knochenteile sichern, verirrte Kugeln finden, die Waffe abgeben, die Hände dem Dämlack von der Spurensicherung hinhalten – für die Schmauchspuruntersuchung. Nicht zu vergessen, die nervlich a n geschlagenen Kollegen betreuen. Das wäre sowieso das Schwerste. War er doch der Held und die anderen nur so was wie Statisten, wenn überhaupt. Wie konnte er die dann trösten? Und er wusste ja, so richtig ins Überlegen kam man erst Tage später, denn die Öffentlichkeit fokussierte sich sofort, bei der Pressekonferenz zum Beispiel. Jedes falsche Wort wurde regi s triert, war Stoff, der tagelang sämtliche Medien beherrscht. Da war es besser, als ob man täte, dass man im Koma liege und das Gehirn noch Tage abschaltete, falls das ging. Und nicht ewig diese Frage: „Ist was schief gelaufen, hab ich was falsch gemacht?“, bloß weil einer tot dalag, oder zwei. Da konnte man nichts für. Man musste ja weiter leben, auch wenn man wusste, dass man auch ganz banal sterblich war, von einem Moment zum anderen, sozusagen, auch dieses heulende Elend kannte, diese Aggressionsschübe und Beziehungskrisen darüber, wenn ma n’s sagte. Die schwarzen Löcher , die man zusaufen musste, nur weil man jemanden erschossen hatte, oder zwei, wie der vom x-ten Revier, de r längst jeden Tag besoffen war. G rauenhaft.
    Aber so war er nicht, nicht er. Er war Manfred, der genau wusste, das schaffte man mit einer Mischung aus Verarbeiten und Verdrängen. Und doch – da hob der Verdächtige die Arme ganz langsam und lächelte ihn an, als ob er ihm an so einem Samstag in der Kneipe zuprostete.
     
    Es dauerte eine Weile, bis Manfred begriff, dass es auch diesmal wieder nichts wurde mit der Verhaftung eines Schwerverbrechers. Wieder wü r den ihm Anerkennung und Ruhm versagt bleiben.
    „So eine Scheiße!“
    „Sagten Sie was?“, fragte der Kriminalrat.
    „Nein; nichts ...“
    Manfred fiel ein, dass er kein Papier mehr für den Drucker hatte.
     
    Pierre hatte noch nie zuvor jemanden gesehen, dessen Haare so glän z ten, wie die vom Kriminalrat. Der trug die Haare nicht kurz, nicht lang, fühlte sich in dem schmeichelhaften grauen Anzug sichtlich zu Hause.  Und der Kerl hatte Manieren. Manieren! War höflich, fast schüchtern. Sehr zurückhaltend und doch entschlossen, ohne Umwege sein Ziel zu erreichen. Letzteres wusste Pierre zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht.
    „Nach Ihnen!“, sagte der Kriminalrat also, als die Meute ihn vom Kahn herunter zum Wagen führte und er den Dorfpolizisten Manfred, der Pierre dabei den Arm schmerzhaft nach hinten verbog, harsch zurechtwies: „Lassen Sie das, man , aber sofort!“ Und dann wieder zu Pierre: „Nach Ihnen!“, als sie ins Auto stiegen.
    Ja, dem hätte Pierre seinen Kahn oder sein Auto geliehen, sein Wer k

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