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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Tafel waren nach den Porträts an der Wand geworfen worden, wobei das Glas zu Bruch gegangen war. Die Gipsbüste eines viktorianischen Wohltäters war die Treppe hinuntergeflogen, und auf den Stufen lagen die abgesplitterten Fragmente seiner Physiognomie.
    « Also! »stieß die Dekanin beim Anblick des Zerstörungswerks hervor. «Wenigstens eines, wofür wir dankbar sein können. Den Hochwürdigen Melchisedek Entwistle haben wir zum letztenmal gesehen. Aber sonst – mein Gott !»

10 . Kapitel
    Der sagt, dein Fehl ist Jugend, Übermut;
Der rechnet Scher? und Jugend dir zur Zier:
Doch Zier wie Fehler, alle findens gut;
Fehl wird zu Schmuck, wenn er sich zeigt an dir.
    WILLIAM SHAKESPEARE
     
    Man sollte meinen, zumindest auf den ersten Blick, daß eine Episode, bei der es so viele Zeugen gab und die (gerechnet vom Zeitpunkt des ersten Alarms im Tudor-Bau bis zum Einsetzen der letzten Sicherung) insgesamt etwa eine Stunde dauerte, allen Unschuldigen ohne weiteres ein Alibi verschafft hätte. In der Praxis sah das ganz anders aus, und das kam hauptsächlich daher, daß Menschen sich gewöhnlich störrisch weigern stehenzubleiben, wo man sie hinstellt. Gerade die große Zahl der Zeugen entpuppte sich als Erschwernis, denn es war mehr als wahrscheinlich, daß die Missetäterin sich im Dunkeln immer wieder unters Volk gemischt hatte. Einige Alibis konnten immerhin hieb- und stichfest nachgewiesen werden: Harriet und die Dekanin hatten beieinander gestanden, als in der Nordostecke des Neuen Hofs das Licht gelöscht wurde; die Rektorin hatte, wie ihr Hauspersonal bestätigen konnte, ihre Wohnung erst verlassen, nachdem der Tumult losgegangen war; für die beiden Pförtner bürgten jeweils ihre Frauen (und sie waren ja auch eigentlich nie verdächtigt worden, weil sich schon früher Zwischenfälle ereignet hatten, während sie nachweislich auf ihren Posten gewesen waren); die Krankenpflegerin und das Mädchen vom Krankenrevier waren ebenfalls die ganze Zeit zusammengewesen. Miss Hudson, die Studentin, die eine Zeitlang in Frage gekommen war, hatte sich auf einer Party befunden, als der Ärger begann, und war somit aus allem heraus; Miss Lydgate war zu Harriets übergroßer Erleichterung ebenfalls im Queen-Elizabeth-Bau gewesen und hatte die Gastfreundschaft einer Gesellschaft des dritten Jahrgangs genossen; sie war gerade aufgestanden und hatte sich mit der Bemerkung, sie sei schon über ihre gewohnte Zeit hinaus, verabschiedet, als das Licht ausging. Sie war dann im großen Strom mitgerissen worden, und sowie sie sich daraus hatte befreien können, war sie rasch in ihr Zimmer gerannt und hatte ihre Korrekturfahnen in Sicherheit gebracht. Andere Mitglieder des Kollegiums waren nicht so günstig plaziert. Erregend und geheimnisvoll zugleich lag der Fall bei Miss Barton. Nach ihrer eigenen Schilderung hatte sie in ihrem Zimmer gesessen und gearbeitet, als im Tudor-Bau die Sicherung herausgenommen wurde. Zuerst hatte sie den Wandschalter probiert, dann aus dem Fenster geschaut und eine Gestalt über den Hof hasten sehen, worauf sie unverzüglich die Verfolgung aufgenommen hatte. Die Gestalt hatte sie zweimal um den Burleigh-Bau gelockt, war plötzlich von hinten gekommen und hatte sie «mit außerordentlicher Kraft» gegen die Mauer geschleudert und ihr die Taschenlampe aus der Hand geschlagen. Ehe Miss Barton sich wieder aufrappeln konnte, hatte die Missetäterin das Licht im Burleigh-Bau ausgeschaltet und war wieder verschwunden. Miss Barton konnte keine Beschreibung von der Person geben, außer daß sie «etwas Dunkles» angehabt habe und sehr schnell gelaufen sei. Ihr Gesicht habe sie nicht gesehen. Der einzige Beweis für diese Schilderung war, daß Miss Barton tatsächlich eine böse Schürfwunde im Gesicht hatte, wo sie nach ihren Worten im Fallen gegen die Mauerkante geschlagen war. Nach diesem Schlag war sie ein paar Minuten auf dem Boden liegengeblieben, und inzwischen hatte der Tumult sich auf den Neuen Hof ausgebreitet. Hier war sie jedenfalls von zwei Studentinnen für ein paar Augenblicke gesehen worden. Dann war sie zur Wohnung der Dekanin gelaufen, hatte deren Zimmer leer gefunden, war wieder hinausgerannt und hatte sich zu Harriet und den übrigen an der Westtreppe gesellt.
    Miss Chilperics Geschichte war ebenso schwer zu beweisen. Als im Tudor-Bau der Ruf «Da läuft sie!» ertönte, war sie unter den ersten gewesen, die nach draußen rannten, aber da sie keine Taschenlampe bei sich hatte und viel zu aufgeregt

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