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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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das andere hatte er nie Dankbarkeit gefordert oder erwartet. Es war nicht schön von ihr, daß ihre einzige Erwiderung ein böses Fauchen war. Es wird wohl einfach so sein, dachte Harriet, daß ich einen schlimmen Minderwertigkeitskomplex habe; und leider nützt es mir gar nichts, das zu wissen. Ich hätte ihn so gern haben können, wenn ich ihm nur auf einer gleichen Stufe begegnet wäre …
    Die Rektorin klopfte auf den Tisch. Eine willkommene Stille legte sich über den Speisesaal. Eine Sprecherin erhob sich, um einen Trinkspruch auf die Universität auszubringen.
    Sie sprach mit feierlichem Ernst, wobei sie das große Buch der Geschichte aufschlug, die Werte der humanistischen Bildung beschwor und der in Angst und Unsicherheit lebenden Welt die Pax Academica verkündete. «Man hat Oxford die Heimat der verlorenen Sache genannt. Wenn die Freude am Lernen um des Lernens willen überall sonst auf der Welt eine verlorene Sache ist, lassen Sie uns dafür sorgen, daß sie zumindest hier auf Dauer eine Heimat findet.» Hervorragend, dachte Harriet, aber dies ist kein Krieg. Und während ihre Gedanken um das Gesagte kreisten, sah sie es doch als einen heiligen Krieg, und diese wahllos zusammengewürfelte, sogar ein wenig groteske Versammlung schwatzender Frauen verschmolz zu einem einheitlichen Ganzen – sowohl miteinander wie mit allen Männern und Frauen, denen die Integrität des Geistes mehr bedeutete als materieller Gewinn, jenen Verteidigern im Bergfried der Menschenseele, die angesichts des gemeinsamen Feindes ihre persönlichen Differenzen vergaßen. Denn mochte man in seinem Gefühlsleben auch manche Torheit begehen, seiner Berufung treu zu sein, war der Weg zum seelischen Frieden. Wie konnte man sich in Ketten fühlen, wenn man sich als freier Mensch in so einer herrlichen Stadt bewegte, oder gedemütigt, wenn alle darin sich gleicher Bürgerrechte erfreuten? Die ehrwürdige Professorin, die sich danach zur Erwiderung erhob, sprach von der Vielfalt der Begabungen, aber dem einen Geist. Dieser einmal angeschlagene Ton schwang auf den Lippen einer jeden Sprecherin und in den Ohren einer jeden Hörerin nach. Auch der Rückblick auf das akademische Jahr, den die Rektorin dann gab, stand dazu in keiner Disharmonie: Ernennungen, Titelverleihungen, Berufungen – das alles waren die inneren Regeln einer Ordnung, ohne die eine solche Gemeinschaft nicht funktionieren konnte. Allein schon im Glanz einer solchen Jahresfeier konnte der einzelne erkennen, daß er ein Bürger keiner geringen Stadt war. Mochte diese Stadt auch alt und altmodisch sein, mit unpraktischen Gebäuden und engen Straßen, auf denen die Passanten sich töricht ums Wegerecht balgten, ihre Fundamente gründeten auf den heiligen Hügeln, und ihre Türme reichten bis an den Himmel.
    Als Harriet in dieser erhabenen Stimmung den Speisesaal verließ, sprach die Dekanin sie an und lud sie zu einem Kaffee ein.
    Harriet nahm an, nachdem sie sich vergewissert hatte, daß Mary Stokes sich auf ärztlichen Rat jetzt ins Bett legen mußte und somit ihre Gesellschaft nicht mehr beanspruchen würde. Und so begab sie sich über den Neuen Hof und klopfte an Miss Martins Tür. Im Wohnzimmer der Dekanin saßen bereits Betty Armstrong, Phoebe Tucker, Miss de Vine, Miss Stevens, die neue Quästorin, noch eine Dozentin, die auf den Namen Barton hörte, sowie einige ehemalige Studentinnen, die ein paar Jahrgänge älter waren als sie. Miss Martin, die gerade Kaffee einschenkte, begrüßte sie gutgelaunt.
    «Kommen Sie her! Hier gibt’s Kaffee, der diesen Namen verdient. Kann man gegen den Kantinenkaffee nicht mal etwas unternehmen, Steve?»
    «Doch, wenn Sie einen Kaffeefonds einrichten», antwortete die Quästorin. «Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal nachgerechnet haben, was wirklich guter Kaffee für zweihundert Leute kosten würde.»
    «Ich weiß», sagte die Dekanin. «Es ist schon hart, so bettelarm zu sein. Am besten lasse ich da mal einen Hinweis bei der Flackett fallen. Sie erinnern sich an Flackett, die so reich ist und schon immer etwas sonderbar war. Das war Ihr Jahrgang, Miss Fortescue.
    Sie verfolgt mich auf Schritt und Tritt mit dem Ansinnen, dem College ein Aquarium mit tropischen Fischen zu stiften, weil sie meint, das würde den Naturwissenschaftlichen Hörsaal ein wenig attraktiver machen.»
    «Wenn es die Vorlesungen etwas attraktiver machen könnte», meinte Miss Fortescue, «wäre das vielleicht eine gute Sache. Miss Hillyards Verfassungsgeschichte

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