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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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fragte mit unüberhörbarem amerikanischem Akzent:
    «Sie erinnern sich wohl nicht mehr an mich, Miss Vane? Ich war nur ein Trimester an diesem College, aber ich würde Sie überall wiedererkennen. Ich empfehle meinen Freunden in Amerika, die so scharf auf englische Detektivliteratur sind, immer Ihre Bücher, denn ich finde sie einfach ungemein gut.»
    «Das ist sehr nett von Ihnen», meinte Harriet kraftlos.
    «Und wir haben einen sehr lieben gemeinsamen Bekannten», fuhr die bebrillte Dame fort.
    Himmel! dachte Harriet. Welche Plage der Menschheit mag jetzt wieder aus der Versenkung auftauchen? Und wer ist nur dieses schreckliche Frauenzimmer?
    «Wirklich?» erkundigte sie sich laut, um ein wenig Zeit zu gewinnen und in ihrem Gedächtnis kramen zu können. «Wer ist das denn, Miss –?»
    «Schuster-Slatt», flüstere Phoebe ihr rasch ins Ohr.
    «Schuster-Slatt.» (Natürlich! Sie war in Harriets erstem Sommertrimester gekommen. Sollte Jura studieren. War nach nur einem Trimester wieder abgegangen, weil die Verhältnisse am Shrewsbury College ihre Freiheit zu sehr einschränkten. Sie hatte dann extern weiterstudiert und war ihnen damit aus den Augen und glücklicherweise aus dem Sinn entschwunden.)
    «Wie schön von Ihnen, sich noch an meinen Namen zu erinnern! Nun, also, es wird Sie überraschen, wenn Sie den Namen hören, aber bei meiner Tätigkeit komme ich viel mit den Angehörigen Ihrer britischen Aristokratie zusammen.»
    Verflixt! dachte Harriet. Miss Schuster-Slatts durchdringende Stimme setzte sich spielend gegen den allgemeinen Höllenlärm durch.
    «Es ist Ihr wunderbarer Lord Peter. Er war so nett zu mir und furchtbar interessiert, als ich ihm sagte, daß ich mit Ihnen aufs College gegangen bin. Ich finde ihn als Mann einfach hinreißend.»
    «Er hat tadellose Manieren», sagte Harriet, aber die Andeutung war wohl zu dezent. Miss Schuster-Slatt fuhr fort:
    «Er war einfach reizend zu mir, als ich ihm von meiner Arbeit erzählte.» (Wenn ich nur wüßte, was für eine Arbeit das ist, dachte Harriet.) «Und ich wollte natürlich alles über seine aufregenden Kriminalfälle wissen, aber er war ja viel zu bescheiden, um mir davon zu erzählen. Sagen Sie, Miss Vane, trägt er dieses niedliche kleine Monokel wegen seiner Augen, oder ist das eine alte englische Tradition?»
    «Ich habe mir noch nie herausgenommen, ihn danach zu fragen», antwortete Harriet.
    «Also, ist das nicht wieder typisch für eure britische Zurückhaltung?» rief Miss Schuster-Slatt, und in diesem Moment kam von Mary Stokes der Zwischenruf:
    «Oh, Harriet, du mußt uns von Lord Peter erzählen! Wenn er so ist wie auf den Fotos, muß er ja wirklich bezaubernd sein. Du kennst ihn natürlich sehr gut, ja?»
    «Ich habe mit ihm zusammen einen Fall gelöst.»
    «Oh, muß das aufregend gewesen sein! Erzähl uns mal, wie er so ist.»
    «Nachdem», begann Harriet mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung, «nachdem er mich aus dem Gefängnis geholt und wahrscheinlich vor dem Galgen gerettet hat, muß ich ihn natürlich besonders nett finden.»
    «Oh!» Mary Stokes wurde puterrot und zuckte vor Harriets wütendem Blick zurück, als hätte sie einen Schlag versetzt bekommen. «Entschuldige – ich hatte nicht daran gedacht –»
    «Hm, also», sagte Miss Schuster-Slatt, «ich glaube, ich bin da sehr, sehr taktlos gewesen. Meine Mutter hat immer zu mir gesagt: ‹Sadie, du bist das taktloseste Mädchen, dem ich je über den Weg laufen mußte.› Aber ich bin nun mal so begeisterungsfähig. Ich lasse mich fortreißen. Ich überlege nicht erst lange. Genauso bin ich auch bei der Arbeit. Meine eigenen Gefühle lasse ich völlig außer acht; und so mache ich es dann auch mit den Gefühlen anderer Menschen. Ich gehe einfach hin und sage, was ich will, und meist bekomme ich es dann auch.»
    Woraufhin Miss Schuster-Slatt mit mehr Feingefühl, als man ihr zugetraut hätte, die Unterhaltung im Triumph auf ihr eigenes Tätigkeitsfeld entführte, das, wie sich zeigte, etwas mit Sterilisierung der Untüchtigen und Förderung der Ehe innerhalb der Intelligenzija zu tun hatte.
    Derweil saß Harriet in ihrem Elend da und fragte sich, welcher Teufel sie geritten hatte, bei der bloßen Erwähnung von Wimseys Namen sämtliche unerfreulichen Züge ihres Charakters zur Schau zu stellen. Er hatte ihr schließlich nichts getan; er hatte sie nur vor einem schmachvollen Tod bewahrt und ihr seine unverbrüchliche persönliche Zuneigung angeboten; und für das eine wie

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