Aufruhr in Oxford
war zu unserer Zeit schon ein harter Brocken.»
«Ach du meine Güte, diese Verfassungsgeschichte! O Gott, ja – das ist noch immer dasselbe. Jedes Jahr fängt sie mit etwa dreißig Hörern an und endet mit zwei bis drei ernsten, schwarzgekleideten Herren, die sich feierlich jedes Wort notieren. Immer haargenau dieselbe Vorlesung; ich glaube, daran könnten selbst Fische nichts ändern. Jedenfalls habe ich gesagt: ‹Das ist sehr lieb von Ihnen, Miss Flackett, aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß die hier gedeihen könnten. Man müßte ja eigens eine Heizanlage für sie einrichten, nicht? Und die Gärtner hätten zusätzliche Arbeit damit.› Sie sah so enttäuscht aus, die Ärmste, darum habe ich gesagt, sie soll sich doch mal mit der Quästorin unterhalten.»
«Na schön», sagte Miss Stevens, «ich übernehme Flackett und schlage ihr die Stiftung eines Kaffeefonds vor.»
«Viel nützlicher als tropische Fische», pflichtete die Dekanin ihr bei. «Ich fürchte, wir lassen ohnehin so einige Merkwürdigkeiten auf die Welt los. Nebenbei finde ich aber, daß Flackett mit dem Entwicklungsgang des Leberegels völlig recht hat. Möchte jemand einen Benediktiner zum Kaffee? Kommen Sie, Miss Vane. Alkohol löst die Zunge, und wir wollen doch alle etwas über Ihren neuesten Roman hören.»
Harriet gab ihnen gehorsam eine kurze Inhaltsangabe des Romans, an dem sie gerade schrieb.
«Verzeihen Sie mir ein offenes Wort, Miss Vane», sagte Miss Barton, indem sie sich mit ernstem Gesicht vorbeugte, «aber ich wundere mich, daß Sie nach Ihrem eigenen schrecklichen Erlebnis noch Lust haben, solche Geschichten zu schreiben.»
Die Dekanin war sichtlich schockiert.
«Nun», antwortete Harriet, «erstens kann ein Schriftsteller nicht wählerisch sein, bevor er mal richtig Geld verdient hat. Wenn man sich dann in einem bestimmten Genre einen Namen gemacht hat und auf ein anderes überwechselt, verkaufen sich die Bücher nicht mehr, das ist die harte Wahrheit.» Sie verstummte kurz. «Ich weiß aber, was Sie meinen – daß ein Mensch mit schicklichen Gefühlen sich seinen Lebensunterhalt eher mit Fußbodenschrubben verdienen würde. Aber ich schrubbe Fußböden sehr schlecht und schreibe Detektivromane ganz gut. Ich sehe nicht ein, warum schickliche Gefühle mich davon abhalten sollten, den für mich richtigen Beruf auszuüben.»
«Sehr richtig», sagte Miss de Vine.
«Aber», beharrte Miss Barton, «Sie sind doch sicher auch der Meinung, daß man schreckliche Verbrechen und die Leiden unschuldig Verdächtigter zu ernst nehmen sollte, um sie zu bloßen Denksportaufgaben zu machen.»
«Im Leben nehme ich sie sehr ernst. Das muß wohl jeder. Aber würden Sie sagen, daß jemand, der zum Beispiel ein trauriges Erlebnis in der Liebe gehabt hat, deshalb keine Salonkomödien mehr schreiben dürfte?»
«Das ist doch wohl ein Unterschied», erwiderte Miss Barton stirnrunzelnd. «Die Liebe hat ihre heiteren Seiten; hingegen sehe ich keine heitere Seite an einem Mord.»
«Vielleicht nicht im Sinne von Komik. Aber die Verbrechensaufklärung hat ja auch eine rein intellektuelle Seite.»
«Sie haben doch auch einmal einen echten Fall aufgeklärt, nicht wahr? Wie war Ihnen dabei zumute?»
«Es war sehr interessant.»
«Und war Ihnen in Anbetracht dessen, was Sie selbst erfahren hatten, wohl bei dem Gedanken, einen Menschen auf die Anklagebank und an den Galgen zu bringen?»
«Ich finde es nicht ganz fair, Miss Vane das zu fragen», sagte die Dekanin. «Miss Barton», fuhr sie, an Harriet gewandt, in leicht entschuldigendem Ton fort, «interessiert sich für die soziologischen Aspekte des Verbrechens und brennt auf eine Strafrechtsreform.»
«So ist es», sagte Miss Barton. «Unsere Einstellung in dieser ganzen Frage erscheint mir unzivilisiert und brutal. Ich bin bei Gefängnisbesuchen so vielen Mördern begegnet, und die meisten von ihnen sind ganz harmlose, dumme, arme Geschöpfe, wenn nicht gar pathologische Fälle.»
«Sie würden das vielleicht anders sehen», sagte Harriet, «wenn Sie zufällig einmal Gelegenheit gehabt hätten, die Opfer kennenzulernen. Sie sind oft noch dümmer und harmloser als die Mörder. Aber sie treten nicht in Erscheinung in der Öffentlichkeit. Nicht einmal die Geschworenen müssen sich den Leichnam ansehen, wenn sie nicht wollen. Aber ich habe die Leiche im Fall Wilvercombe gesehen – ich habe sie gefunden. Und das war grausiger als alles, was Sie sich vorstellen können.»
«Da haben
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