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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Leuten, die viel reden, oft der Fall. Ich finde, sie sind zu bedauern.»
    «Schüchtern?» rief Harriet. «Also, das wohl kaum. Unsicher vielleicht – dieses schöne Wort umschreibt ja so vieles. Aber auf Mitleid scheint er mir nicht gerade angewiesen zu sein.»
    «Wieso auch?» sagte Miss Barton. «In dieser bejammernswerten Welt sehe ich keinen Anlaß, einen jungen Mann zu bedauern, der alles hat, was er sich nur wünschen kann.»
    «Er muß ein bemerkenswerter Mensch sein, wenn er das hat», meinte Miss de Vine mit einem Ernst, den ihre Augen Lügen straften.
    «Und so jung ist er auch wieder nicht», sagte Harriet. «Er ist fünfundvierzig.» (Das war Miss Bartons Alter.)
    «Ich finde es ziemlich impertinent, jemanden zu bemitleiden», sagte die Dekanin.
    «Hört, hört», rief Harriet. «Niemand möchte gern bemitleidet werden. Die meisten bemitleiden sich nur gern ein bißchen selbst, aber das ist etwas anderes.»
    «Eine harte Wahrheit», sagte Miss de Vine, «aber eine Wahrheit.»
    «Aber ich wüßte doch noch gerne», bohrte Miss Barton, die sich nicht gern vom Thema abbringen ließ, hartnäckig weiter, «ob dieser dilettierende Gentleman irgend etwas tut, ich meine, außer Detektivspielen, Büchersammeln und, soviel ich weiß, in seiner Freizeit Kricketspielen.»
    Harriet, die sich schon die ganze Zeit zu ihrer Selbstbeherrschung beglückwünscht hatte, wurde jetzt doch von Wut gepackt.
    «Ich weiß es nicht», sagte sie. «Spielt das denn eine Rolle? Warum sollte er noch etwas anderes tun? Mörder fangen ist kein Kinderspiel und auch nicht ganz ungefährlich. Es erfordert viel Zeit und Energie, und man kann dabei leicht Schaden nehmen, sogar umkommen. Ich räume ein, daß er das tut, weil es ihm Spaß macht, aber er tut es. Dutzende von Menschen haben ebensoviel Grund wie ich, ihm dankbar zu sein. Sie können doch nicht sagen, das sei nichts.»
    «Da bin ich ganz Ihrer Meinung», sagte die Dekanin. «Ich finde, man sollte Leuten sehr dankbar sein, die einem umsonst die Schmutzarbeit machen, aus welchem Motiv auch immer.»
    Miss Fortescue quittierte dies mit Beifall. «Vorigen Sonntag war in meinem Wochenendhäuschen der Abfluß verstopft, und ein sehr hilfsbereiter Nachbar kam und machte ihn wieder frei. Er hat sich dabei ziemlich schmutzig gemacht, und ich habe mich hinten und vorn entschuldigt, aber er sagte nur, ich brauchte ihm dafür nicht zu danken, denn er sei einfach neugierig und habe eine Schwäche für Abflüsse. Vielleicht hat er nicht die Wahrheit gesagt, aber selbst dann hatte ich gewiß keinen Grund, mich zu beklagen.»
    «Apropos Abflüsse», sagte die Quästorin – Die Unterhaltung verlagerte sich vom Persönlichen zum Anekdotischen (denn es gibt wohl keine zufällige Versammlung von Menschen, die sich nicht sehr angeregt über Abflüsse unterhalten könnte), und nach einer kleinen Weile zog Miss Barton sich zurück, um zu Bett zu gehen. Die Dekanin seufzte erleichtert auf.
    «Hoffentlich war Ihnen das nicht allzu unangenehm», sagte sie.
    «Miss Barton ist so schrecklich geradeheraus, und sie wollte sich das nun mal alles von der Seele reden. Sie ist ein großartiger Mensch, aber viel Humor hat sie nicht. Sie erträgt es nicht, wenn etwas aus anderen als nur den erhabensten Motiven geschieht.»
    Harriet entschuldigte sich für ihre Heftigkeit.
    «Ich finde, Sie haben sich großartig gehalten. Und Ihr Lord Peter scheint ein hochinteressanter Mensch zu sein. Ich sehe nur nicht ein, wieso Sie gezwungen sein sollen, hier über den armen Mann zu diskutieren.»
    «Wenn Sie mich fragen», bemerkte die Quästorin, «dann diskutieren wir an dieser Universität über alles viel zuviel. Wir streiten uns herum über dies und jenes und warum und wozu, anstatt es einfach zu tun.»
    «Aber müssen wir denn nicht zuerst fragen, was und warum es getan werden soll?» widersprach die Dekanin.
    Harriet grinste Betty Armstrong an, als sie das vertraute akademische Geplänkel beginnen hörte. Noch ehe zehn Minuten vergangen waren, hatte jemand das Wort «Werte» in die Debatte geworfen. Eine Stunde später waren sie immer noch beim Thema. Schließlich hörte man die Quästorin deklamieren:
    «Gott hat die ganzen Zahlen geschaffen; alles andere ist Menschenwerk.»
    «Ach was!» rief die Dekanin. «Lassen wir doch die Mathematik aus dem Spiel. Und die Physik. Damit kann ich nichts anfangen.»
    «Und wer hat vor kurzem vom Planckschen Wirkungsquantum gesprochen?»
    «Ich, und das tut mir leid. Ich persönlich

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