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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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kann meine Frau an der Pforte lassen. Ich gehe zum Privateingang und sehe mich mal um. Keine Bange, Miss. Wenn Ihnen da irgendwer auflauert, Miss, kann mir die Person nur leid tun. Nein, Miss, es hat heute abend keinen Ärger gegeben, nicht daß ich wüßte; aber wenn ich jemanden erwische, der da auf der Lauer liegt, Miss, dann gibt’s einen Ärger, der sich gewaschen hat, verlassen Sie sich auf mich, Miss.»
    «Gut, Padgett. Aber machen Sie bitte kein Aufsehen. Schleichen Sie nur leise hin und sehen Sie mal nach, ob sich dort jemand herumtreibt – aber lassen Sie sich selbst nicht sehen. Falls mich jemand angreift, wenn ich hereinkomme, können Sie mir zu Hilfe kommen; wenn nicht, bleiben Sie außer Sicht.»
    «Gut, Miss.»
    Harriet legte auf und verließ die Telefonzelle. In der Eingangshalle brannte eine schwache Notbeleuchtung. Sie sah auf die Uhr. Sieben vor elf. Sie war spät dran. Aber die Angreiferin, wenn es sie gab, würde wohl auf sie warten. Sie wußte ja, wo die Falle aufgestellt wäre – sein mußte. Niemand würde ausgerechnet vor dem Krankenrevier oder vor Dr. Barings Wohnung, wo einen jemand hören und herauskommen könnte, einen Überfall inszenieren. Auch würde sich niemand unter oder hinter den Mauern auf dieser Seite des Weges verstecken. Der geeignetste Ort für so etwas war das Gebüsch im Dozentengarten, nahe dem Privateingang, auf der rechten Seite des Weges, wenn man ihn hinaufging-Aber sie war ja vorbereitet, das war ein Vorteil; und Padgett würde irgendwo in der Nähe sein; aber ein paar bange Sekunden wären es eben doch, wenn man sich umdrehen und den Privateingang von innen wieder abschließen mußte. Harriet dachte an das Brotmesser in der Puppe und schauderte.
    Wenn sie alles verpfuschte und dabei umkam – eine pathetische Vorstellung, aber möglich, wenn Leute nicht bei Verstand waren –, würde Peter dazu etwas zu sagen haben. Vielleicht wäre es nur anständig von ihr, sich für alle Fälle im vorhinein zu entschuldigen. Sie fand auf einer Fensterbank ein Notizheft, das dort jemand hatte liegenlassen, riß ein Blatt heraus, schrieb mit dem Bleistift, den sie in der Handtasche hatte, ein paar Worte darauf, faltete das Blatt zusammen, adressierte es und steckte es mit dem Bleistift wieder ein. Wenn ihr etwas zustieß, würde man es finden.
    Der Pförtner des Somerville College ließ sie auf die Woodstock Road hinaus. Sie nahm den kürzesten Weg: an der St. Giles-Kirche vorbei, durch die Blackhall Road, Museum Road, South Parks Road, Mansfield Road. Sie ging schnell, fast im Laufschritt. Als sie in den Jowett Walk einbog, wurde sie langsamer. Sie wollte bei Atem und klarem Verstand sein.
    Sie bog um die Ecke in die St. Cross Road, erreichte das kleine Tor und zog ihren Schlüssel heraus. Ihr Herz hämmerte.
    Und dann löste sich das ganze Melodrama zu einer artigen Komödie auf. Hinter ihr hielt ein Wagen an; die Dekanin setzte die Rektorin ab und fuhr um die Ecke zum Lieferanteneingang, um ihren Austin in die Garage zu stellen, und Dr. Baring fragte freundlich:
    «Ach, Sie sind’s, Miss Vane? Na, dann brauche ich ja meinen Schlüssel nicht zu suchen. Hatten Sie einen interessanten Abend? Die Dekanin und ich wollten uns einmal ein wenig zerstreuen. Nach dem Abendessen haben wir uns plötzlich entschlossen …»
    Sie ging mit Harriet den Pfad hinauf, mit großer Liebenswürdigkeit über das Stück plaudernd, das sie gesehen hatten. Harriet verließ sie an ihrem Wohnungseingang und schlug die Einladung, noch auf einen Kaffee und ein paar Sandwichs mit hineinzugehen, aus. Hatte sie nun hinter den Büschen eine Bewegung gehört oder nicht? Jedenfalls war die Gelegenheit vorbei. Sie hatte sich als Köder angeboten, aber weil die Falle ein ganz klein wenig zu spät aufgestellt worden war, hatte die Rektorin sie unwissentlich zuschnappen lassen.
    Harriet ging in den Dozentengarten, knipste ihre Taschenlampe an und sah sich um. Der Garten war leer. Sie kam sich auf einmal vor wie eine komplette Närrin. Aber trotz alledem mußte es für diesen Anruf einen Grund gegeben haben.
    Sie ging auf die Pforte an der St. Cross Road zu. Im Neuen Hof begegnete sie Padgett.
    «Ah!» sagte Padgett vorsichtig. «Sie war wirklich da, Miss.»
    Seine rechte Hand griff an die Seite, und Harriet glaubte dort etwas zu sehen, was verdächtig nach Totschläger aussah. «Da auf der Bank, hinter dem Lorbeerbusch beim kleinen Tor, hat sie gesessen. Ich hab mich ganz vorsichtig angeschlichen, Miss, wie

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