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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Informationen über Lefanu erhoffte. Jetzt saß sie im Zimmer dieser Freundin, wo außer ihr noch ein halbes Dutzend Leute versammelt war, um dem berühmten Schriftsteller die Ehre zu geben. Da klingelte das Telefon.
    «Oh, Miss Vane», sagte ihre Gastgeberin. «Da möchte Sie jemand vom Shrewsbury College sprechen.»
    Harriet entschuldigte sich bei dem berühmten Gast und ging in die kleine Vorhalle, wo das Telefon stand. Auf ihr «Hallo?» meldete sich eine Stimme, die sie nicht recht erkannte.
    «Ist dort Miss Vane?»
    «Ja – wer spricht dort, bitte?»
    «Hier ist das Shrewsbury College. Könnten Sie bitte schnell herkommen? Es ist wieder etwas passiert.»
    «Lieber Gott! Was denn? Und wer spricht dort, bitte?»
    «Ich spreche im Auftrag der Rektorin. Könnten Sie bitte –?»
    «Sind Sie Miss Parsons?»
    «Nein, Miss. Ich bin das Hausmädchen von Dr. Baring.»
    «Aber was ist passiert?»
    «Ich weiß es nicht, Miss. Die Rektorin hat nur gesagt, ich soll Sie bitten, sofort zu kommen.»
    «Gut. Ich bin in zehn bis fünfzehn Minuten da. Ich habe meinen Wagen nicht bei mir. Gegen elf Uhr werde ich da sein.»
    «Gut, Miss. Danke.»
    Die Verbindung wurde unterbrochen. Harriet nahm rasch ihre Freundin beiseite, erklärte ihr, daß sie plötzlich fortgerufen worden sei, verabschiedete sich und eilte hinaus.
    Sie hatte den Gartenhof schon überquert und ging gerade zwischen dem Alten Speisesaal und dem Maitland-Bau vorbei, als ihr plötzlich eine absurde Erinnerung durch den Kopf schoß. Ihr fiel ein, wie Peter einmal zu ihr gesagt hatte:
    «Die Heldinnen in Kriminalromanen bekommen immer nur, was sie verdienen. Wenn eine geheimnisvolle Stimme sie anruft und sich als Scotland Yard ausgibt, kommt es ihnen nie in den Sinn, zurückzurufen und sich den Anruf bestätigen zu lassen. Daher die vielen Entführungen.»
    Sie wußte, wo sich im Somerville College das öffentliche Telefon befand. Wahrscheinlich konnte sie von dort anrufen. Sie trat in die Zelle, nahm den Hörer ab, stellte fest, daß der Apparat auf Amtsleitung geschaltet war, wählte die Nummer des Shrewsbury, bekam Verbindung und verlangte die Wohnung der Rektorin.
    Eine Stimme meldete sich; nicht dieselbe Stimme, die sie vorhin angerufen hatte.
    «Ist dort Dr. Barings Hausmädchen?»
    «Ja, Madam. Wer spricht dort, bitte?»
    («Madam» – die andere hatte «Miss» gesagt. Harriet wußte jetzt, warum sie bei dem Anruf so ein ungutes Gefühl gehabt hatte.
    Im Unterbewußtsein hatte sie sich erinnert, daß Dr. Barings Hausmädchen immer «Madam» sagte.)
    «Harriet Vane. Ich rufe aus dem Somerville College an. Haben Sie vorhin mit mir gesprochen?»
    «Nein, Madam.»
    «Jemand hat mich im Auftrag der Rektorin angerufen. War es die Köchin oder sonst jemand aus dem Haus?»
    «Ich glaube nicht, daß von hier aus jemand telefoniert hat, Madam.»
    (Ein Irrtum also. Wahrscheinlich hatte die Rektorin den Auftrag irgendwo im College gegeben, und sie hatte die Anruferin – oder diese sie – mißverstanden.)
    «Kann ich bitte die Rektorin sprechen?»
    «Die Rektorin ist nicht im College, Madam. Sie ist mit Miss Martin ins Theater gegangen. Ich erwarte sie jede Minute zurück.»
    «Oh, danke. Macht nichts. Es muß ein Irrtum gewesen sein. Könnten Sie mich zur Pforte zurückverbinden?»
    Als sie Padgetts Stimme wieder vernahm, fragte sie nach Miss Edwards, und während die Verbindung hergestellt wurde, dachte sie fieberhaft nach.
    Es sah immer mehr nach einem fingierten Anruf aus. Aber wozu, in Gottes Namen? Was wäre wohl geschehen, wenn sie geradewegs zum Shrewsbury zurückgegangen wäre? Da sie nicht mit dem Wagen hier war, wäre sie durch den Privateingang hineingegangen, an dem dichten Gebüsch beim Dozentengarten vorbei – dem Dozentengarten, wo nachts Leute umhergingen …
    «Miss Edwards ist nicht in ihrem Zimmer, Miss Vane.»
    «Oh! Die Hausmädchen sind wohl schon alle zu Bett, ja?»
    «Ja, Miss. Soll ich meine Frau nach ihr suchen lassen?»
    «Nein – versuchen Sie mal Miss Lydgate zu erreichen.»
    Erneute Pause. War Miss Lydgate auch nicht in ihrem Zimmer? Waren sämtliche verläßlichen Professorinnen am College nicht in ihren Zimmern? Ja – Miss Lydgate war auch nicht da. Und dann fiel Harriet ein, daß sie natürlich alle pflichtgemäß noch einmal durchs College patrouillierten, bevor sie zu Bett gingen. Aber schließlich war Padgett auch noch da. Sie erklärte ihm die Sache, so gut sie konnte.
    «In Ordnung, Miss», sagte Padgett tröstend. «Ja, ich

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