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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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nicht um Mitternacht oder um irgendeine andere Zeit? Warum mich um elf Uhr hierherlocken?»
    «Könnte es vielleicht etwas gewesen sein, was um elf Uhr losgehen sollte, während die Täterin sich ein Alibi verschaffte?»
    «Niemand hätte auf die Sekunde genau vorausberechnen können, wie lange ich vom Somerville College bis hierher brauchte. Oder denken Sie vielleicht an eine Bombe, die durch das Öffnen des Tors gezündet werden sollte? Aber die hätte ja ebensogut zu jeder anderen Zeit funktioniert.»
    «Aber wenn das Alibi für elf Uhr geplant war –?»
    «Warum ist die Bombe dann nicht losgegangen? Überhaupt kann ich an eine Bombe gar nicht glauben.»
    «Ich auch nicht – eigentlich», sagte Miss Edwards. «Das sind nur so Gedankenspielereien. Padgett hat wohl nichts Verdächtiges gesehen?»
    «Nur Miss Hillyard», antwortete Harriet obenhin, «die im Dozentengarten saß.»
    «Oh!»
    «Sie geht dort manchmal nachts hin; ich habe sie selbst schon gesehen. Vielleicht hat sie – den oder die Betreffende – verscheucht.»
    «Vielleicht», sagte Miss Edwards. «Übrigens scheint Ihr adliger Freund ihr auf wundersame Weise Ihre Vorurteile genommen zu haben. Ich meine nicht den, der Sie auf dem Hof so begrüßt hat – sondern den, der zum Essen da war.»
    «Wollen Sie jetzt etwas in die Geschichte von gestern nachmittag hineingeheimnissen?» fragte Harriet lächelnd. «Ich glaube, da ging es nur um die Einführung bei irgendeinem Italiener, der eine Privatbibliothek besitzt.»
    «Das hat sie uns auch gesagt», meinte Miss Edwards. Harriet hatte das Gefühl, daß die Geschichtsprofessorin, nachdem sie selbst weggegangen war, so einiges hatte über sich ergehen lassen müssen. «Jedenfalls», fuhr Miss Edwards fort, «habe ich ihm eine Arbeit über Blutgruppen versprochen, und er hat sie noch nicht bei mir angemahnt. Er ist ein interessanter Mann, nicht wahr?»
    «Für die Biologin?»
    Miss Edwards lachte. «Hm, ja – als typisches Stammbaumtier. Gräßlich überzüchtet, aber voll nervöser Intelligenz. Das hatte ich jedoch nicht gemeint.»
    «Also für die Frau?»
    Miss Edwards sah Harriet offen an.
    «Für viele Frauen, könnte ich mir vorstellen.»
    Harriet erwiderte den Blick ebenso offen.
    «Davon ist mir nichts bekannt.»
    «Aha!» sagte Miss Edwards. «In Ihren Romanen setzen Sie sich mehr mit materiellen Fakten als mit der Psychologie auseinander, nicht?»
    Das gab Harriet bereitwillig zu.
    «Na ja, macht nichts», meinte Miss Edwards und sagte dann ziemlich brüsk gute Nacht.
    Harriet fragte sich, was das alles sollte. Es war ihr eigenartigerweise noch nie in den Sinn gekommen, sich zu fragen, was andere Frauen von Peter hielten – oder er von ihnen. Das sprach entweder für großes Vertrauen oder große Gleichgültigkeit ihrerseits; denn «begehrt» war sozusagen sein zweiter Vorname.
    Als sie in ihr Zimmer kam, nahm sie den beschriebenen Zettel aus der Tasche und vernichtete ihn, ohne ihn noch einmal gelesen zu haben. Schon der Gedanke daran machte sie jetzt erröten. Geplatzte Heldentaten sind der Inbegriff des Komischen.
     
    Das bemerkenswerteste Ereignis des Donnerstags war ein heftiger, langer und völlig unerklärlicher Streit zwischen Miss Hillyard und Miss Chilperic im Dozentengarten nach dem Essen. Wie er angefangen hatte oder worum er eigentlich ging, wußte hinterher niemand mehr. Jemand hatte auf einem der Tische in der Bibliothek einen Stapel Bücher und Papiere durcheinandergebracht, und so war dann eine Prüfungskandidatin für Geschichte zu Miss Hillyard zum Repetitorium gekommen und hatte ihr etwas von verlegten oder verlorengegangenen Aufzeichnungen erzählt. Miss Hillyard, die schon die ganzen letzten Tage sehr reizbar gewesen war, hatte die Sache persönlich genommen, und nachdem sie während des ganzen Abendessens ein finsteres Gesicht gemacht hatte, war sie schließlich – nachdem die Rektorin gegangen war – in einen Entrüstungssturm gegen die Welt im allgemeinen ausgebrochen.
    «Warum es immer meine Studentinnen sein müssen, die unter der Leichtfertigkeit anderer zu leiden haben, verstehe ich nicht», sagte Miss Hillyard.
    Miss Burrows bemerkte, sie habe keine Anhaltspunkte dafür, daß Miss Hillyards Studentinnen mehr zu leiden hätten als andere. Daraufhin zählte Miss Hillyard alle Fälle aus den letzten drei Trimestern auf, in denen Geschichtsstudentinnen, offensichtlich durch bewußte Sabotage, am Arbeiten gehindert worden waren.
    «Wenn man bedenkt», fuhr sie fort,

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