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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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… Sicher würde jeder anständige, dankbare Mensch ihm geben, was er will … Aber eine schöne Dankbarkeit wäre das, ihn unglücklich zu machen … Wir würden beide restlos unglücklich sein, weil wir es beide nicht vergessen könnten … Neulich auf dem Fluß hätte ich es beinahe vergessen … Und ich hatte es heute nachmittag vergessen, aber da ist es ihm zuerst wieder eingefallen … Dieses unverschämte Bürschchen! Wie schrecklich grausam doch die Jugend gegenüber den nicht mehr so Jungen ist! … Ich war ja auch nicht gerade die Nettigkeit selbst … Und ich wußte, was ich tat … Gut, daß Peter fort ist … Aber ich wünschte, er wäre nicht fortgefahren und hätte mich in diesem gräßlichen Gemäuer zurückgelassen, wo Leute durchdrehen und abscheuliche Briefe schreiben … «Bin ich ihm fern, so bin ich tot, bis ich ihm wieder nahe bin.» … Nein, es ist sinnlos, das so zu sehen … Auf so etwas lasse ich mich nicht noch einmal ein … Ich halte mich heraus … Ich bleibe hier … wo die Leute verrückt werden … O Gott, was habe ich getan, daß ich mir und anderen so eine Last bin? Nichts Schlimmeres als Tausende Frauen …
    Immer rundherum im Kreis, wie ein Eichhörnchen im Käfig, bis Harriet sich endlich energisch ins Gebet nahm und sagte: So geht das nicht, sonst schnappe ich noch selbst über. Ich sollte lieber mit den Gedanken bei meiner Aufgabe bleiben. Was führt Peter nach York? Miss de Vine? Wenn ich nicht so die Nerven verloren hätte, hätte ich es wohl erfahren können, statt die Zeit mit Streiten zu verschwenden. Ob er irgendwelche Anmerkungen in meine Aufzeichnungen gemacht hat?
    Sie nahm den Hefter, der immer noch verpackt, verschnürt und ringsum mit Peters Wappen versiegelt war. As my Whimsy takes me. – Peters Launen hatten ihm schon ganz schöne Ungelegenheiten bereitet. Ungeduldig erbrach sie die Siegel; aber das Ergebnis war enttäuschend. Er hatte nichts angemerkt – vermutlich hatte er nur alles, was ihn interessierte, daraus abgeschrieben. Sie blätterte die Seiten durch, versuchte irgendeine Lösung zusammenzustückeln, war aber zu müde, um zusammenhängend zu denken. Und dann – ja, das war eindeutig seine Handschrift, nur nicht auf einem Blatt mit ihren Aufzeichnungen. Da war das unvollendete Sonett – so etwas Idiotisches aber auch, halbfertige Sonette in seinen Aufzeichnungen herumliegen zu lassen, damit andere sie zu Gesicht bekamen! Eine Schulmädchentorheit, über die man nur erröten konnte. Zumal die dann ausgedrückten Gefühle, soweit sie sich erinnerte, überhaupt nicht ihrer derzeitigen Gemütsverfassung entsprachen.
    Aber da war es nun und hatte sich in der Zwischenzeit noch ein Sextett zugelegt. Da stand es, ein wenig unausgewogen wirkend mit ihrer großzügigen Handschrift oben und Peters trügerisch säuberlichen Schrift darunter: wie ein großer Kreisel auf einer dünnen Spitze.
     
    Hier nun, daheim, von Sturm nicht mehr gezaust,
Sitzen wir still, dieweil der Abend fällt;
Rosenduft füllt das laubbedachte Zelt,
Hier wo des Lebens Strudel nicht mehr braust.
Still steht die Zeit und ruht vom Jagen aus;
Auf ihrer Bahn die Sonne innehält.
Hier in der stillen Mitte, wo die Welt
Auf ihrer Achse schläft, sind wir zu Haus.
     
    Laß schwingen, Liebe, die Peitsche, daß wir bang,
Auf schwanker Spitze aufrecht stehend, nicht
Auf weichem Kissen schlafen, wie so hehr
Die Spannung schläft in der Schalmei Gesang;
Denn taumelnd fallen wir, wenn Unruh bricht,
Und schlafen, sterbend, süßen Schlaf nicht mehr .
     
    Danach schien dem Dichter der Geduldsfaden gerissen zu sein, denn er hatte darunter den Kommentar hinzugefügt:
     
    «Ein sehr eitler, metaphysischer Schluß!»
     
    So. Da war die Wendung, die sie vergebens für das Sextett gesucht hatte! Ihr schöner, großer, friedlich auf seiner Achse sich drehender Erdenball war zu einem peitschengetriebenen Kreisel geworden, der nur unter Zwang auf seiner Achse schlief. (Und hol ihn der Kuckuck! Was fiel ihm ein, ihr schönes Wort «schlafen» aufzunehmen und es gleich viermal zu verwenden, jedesmal auf einem anderen Versfuß, als ob die ganze Akzentverschiebung ein Kinderspiel wäre? Und in dieser letzten, schwermütigen Zeile den Sinn des ganzen Gedichts umzukehren! Es zählte sicher nicht zu den großen Sextetten der Weltliteratur, war aber viel besser als ihre Oktave – und das war ungeheuerlich.)
    Aber wenn sie eine Antwort auf die Fragen haben wollte, die sie sich Peters wegen stellte: Da war sie, in

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