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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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irgendwelcher Sonette, die ich dabei zufällig finden könnte?»
    «Ungeachtet aller persönlichen Fragen überhaupt», brach es fast wütend aus ihm heraus. «Nein, Sie haben recht. Das war Unsinn. Meine Gabe, mir selbst im Licht zu stehen, grenzt schon an Genialität, nicht wahr? Aber wenn Sie erst zu einem abschließenden Urteil gekommen sind, werden Sie sich dann bitte daran erinnern, daß ich es war, der Sie gebeten hat, die Sache unparteiisch anzugehen, und daß ich es war, der Ihnen gesagt hat, daß von allen wildgewordenen Teufeln dieser Welt nicht einer es mit treuer Liebe aufnehmen kann …? Ich spreche nicht von Leidenschaft. Leidenschaft ist ein braver, dummer Karrengaul, der sechs Tage in der Woche den Pflug zieht, wenn man ihm nur am Sonntag mal die Zügel schießen läßt. Aber Liebe ist ein nervöses, unbezähmbares, eigenwilliges Untier; wer sie nicht zügeln kann, sollte lieber gar nichts mit ihr zu tun haben.»
    «Das klingt mir ziemlich verdreht», sagte Harriet nachsichtig. Aber seine ungewohnte Erregung war schon verflogen.
    «Ich schlage nur Purzelbäume wie die Clowns im Zirkus. Wenn wir jetzt zum Shrewsbury gingen, meinen Sie, die Rektorin würde mich empfangen?»
     
    Später im Laufe des Tages schickte Dr. Baring nach Harriet.
    «Lord Peter Wimsey war bei mir», sagte sie, «und hat mir einen recht merkwürdigen Vorschlag unterbreitet, den ich jedoch nach kurzem Nachdenken abgelehnt habe. Er sagte mir, er glaube so gut wie sicher zu wissen, wer die – Missetäterin ist, aber er sei momentan nicht in der Lage, es ihr lückenlos nachzuweisen. Er meinte auch, die Person sei seiner Ansicht nach jetzt gewarnt und werde von nun an doppelt vorsichtig sein, um ihrer Entdeckung zu entgehen. Vielleicht sei sie sogar so sehr abgeschreckt, daß nichts mehr vorkommen werde, zumindest bis zum Ende dieses Trimesters; sowie aber unsere Wachsamkeit nachlasse, würden die Ärgernisse wahrscheinlich in gewalttätigerer Form wieder anfangen. Ich sagte, das sei natürlich keine befriedigende Lösung, und er gab mir recht. Er fragte, ob er mir den Namen der Person nennen solle, damit man ihre Schritte besser überwachen könne. Ich sagte, dagegen spreche zweierlei: Erstens könne die Betreffende merken, daß sie beobachtet werde, und daraufhin lediglich noch vorsichtiger agieren, und zweitens könne er sich in der Identität der Missetäterin ja auch geirrt haben, und die Betreffende sei dann unerträglichen Verdächtigungen ausgesetzt. Angenommen, sagte ich, die Vorkommnisse hörten einfach auf, dann würden wir diese Person – die vollkommen unschuldig sein könnte – weiterhin verdächtigen, ohne Beweise für ihre Schuld oder Unschuld. Er sagte, das seien genau die Bedenken, die er selbst auch habe. Wissen Sie zufällig, von wem er da spricht, Miss Vane?»
    «Nein», sagte Harriet, die in der Zwischenzeit ihr Gehirn angestrengt hatte. «Ich beginne es zu ahnen, aber die Teilchen passen nicht zusammen. Kurz, ich kann einfach nicht daran glauben.»
    «Nun gut. Lord Peter hat mir dann einen sehr bemerkenswerten Vorschlag gemacht. Er fragte, ob ich ihm erlauben werde, die in Frage kommende Person unter vier Augen auszufragen, um ihr eventuell durch den Überraschungseffekt ein Geständnis zu entlocken. Wenn dieser Bluff, wie er es nannte, gelänge, könne die Schuldige sich mir offenbaren, und wir könnten sie dann diskret entfernen oder in ärztliche Behandlung geben, je nachdem, was wir für richtig hielten. Wenn es hingegen nicht klappte und die Betreffende alles ableugnete, befänden wir uns in einer äußerst unangenehmen Lage. Ich antwortete, das sähe ich ebenso und könne unmöglich meine Zustimmung dazu geben, daß gegen irgend jemanden in diesem College solche Methoden angewendet würden. Worauf er antwortete, genau das habe er von mir zu hören erwartet.
    Ich habe ihn dann gefragt, was für Beweise er gegen die betreffende Person überhaupt in der Hand habe. Er antwortete, er habe nur Indizien; im Laufe der nächsten Tage hoffe er, davon noch mehr zu bekommen, aber solange es keinen neuen Zwischenfall gebe und wir die Täterin dabei auf frischer Tat ertappten, glaube er nicht, daß in diesem Stadium überhaupt ein direkter Beweis zu führen sei. Ich habe ihn dann gefragt, ob es einen bestimmten Grund gebe, warum wir nicht wenigstens das Eintreffen weiterer Indizien abwarten sollten.»
    Dr. Baring unterbrach ihre Rede und sah Harriet scharf an.
    «Er antwortete, dafür gebe es nur einen Grund,

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