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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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gekommen wäre, volle Sympathie für den Poltergeist und alle seine Untaten gehabt. Wenn sie jetzt jemanden hätte verprügeln oder erwürgen können, sie hätte es getan, und anschließend wäre ihr wohler gewesen. Zum Glück fand sie nach der ersten zerstörerischen Wut ein Ventil im Fluchen. Und nachdem sie ihre Stimme wieder in der Gewalt hatte, schloß sie ihre Zimmertür hinter sich ab und ging hinunter zum Telefon.
     
    Selbst jetzt noch redete sie zuerst so durcheinander, daß Peter kaum verstand, was sie sagte. Als er sie verstand, nahm er es mit empörender Gelassenheit auf und fragte nur, ob sie etwas angerührt oder mit jemandem gesprochen habe. Als beides verneint wurde, antwortete er gutgelaunt, er werde in ein paar Minuten bei ihr sein.
    Harriet ging nach draußen und ließ ihre Wut im Neuen Hof solange abkühlen, bis sie ihn läuten hörte – denn die Tore waren gerade geschlossen worden –, und nur ein letzter kleiner Rest von Selbstbeherrschung hielt sie davon ab, ihm entgegenzurennen und in Padgetts Gegenwart ihrem Herzen Luft zu machen. Statt dessen erwartete sie ihn in der Mitte des Hofes.
    «Peter – o Peter!»
    «Nun», meinte er, «das ist ja recht ermutigend. Ich hatte schon gefürchtet, wir hätten dieser Art von Demonstrationen für immer einen Riegel vorgeschoben.»
    «Aber mein Schachspiel! Dafür könnte ich sie umbringen!»
    «Liebe Harriet, es ist natürlich gräßlich, daß es Ihre Schachfiguren sein mußten. Aber verlieren wir bitte nicht jeglichen Sinn für Proportionen. Es hätten auch Sie sein können.»
    «Ich wünschte, es wäre so. Ich hätte mich wehren können.»
    «Furie! Kommen Sie, sehen wir uns den Schaden mal an.»
    «Es ist entsetzlich, Peter. Ein regelrechtes Massaker. Es ist – irgendwie beängstigend – sie wurden so brutal kaputtgeschlagen.»
    Als Wimsey das Zimmer sah, machte auch er ein ernstes Gesicht.
    «Ja», sagte er, indem er sich inmitten der Trümmer hinkniete.
    «Das war blinder, bestialischer Haß. Nicht nur zerschlagen, sondern zu Pulver zerstampft. Hier war ein Schuhabsatz am Werk, nebst einem Schürhaken; man sieht die Spuren auf dem Teppich. Die Frau haßt Sie, Harriet. Das war mir nicht bewußt. Ich dachte, sie hätte nur Angst vor Ihnen … Ist niemand mehr übrig im Hause Sauls? … Sehen Sie mal! Ein einziger armer Krieger liegt hinter der Kohlenschaufel versteckt – der letzte Überlebende eines mächtigen Heeres.»
    Er hielt lächelnd den einsamen roten Bauern in die Höhe; dann sprang er rasch auf.
    «Aber liebes Kind, weinen Sie doch deswegen nicht. Was macht das denn schon!»
    «Ich habe sie so geliebt», sagte Harriet, «und Sie haben sie mir geschenkt.»
    Er schüttelte den Kopf.
    «Schade, daß Sie es so ausdrücken. ‹Sie haben sie mir geschenkt, und ich habe sie geliebt›, das wäre in Ordnung, aber ‹Ich habe sie geliebt, und Sie haben sie mir geschenkt› ist nicht wieder gutzumachen. Fünfzigtausend Greifeneier können sie nicht ersetzen. ‹Die Jungfrau ist dahin, und ich bin dahin; sie ist dahin, dahin, was soll ich machen?› Aber Sie brauchen sich nicht an dieser Kommode auszuweinen, solange ich Ihnen eine Schulter dafür bieten kann, oder?»
    «Entschuldigung. Ich bin total durcheinander.»
    «Ich habe ihnen ja gesagt, daß Liebe etwas Teuflisches ist. Zweiunddreißig Schachfigürchen gingen in die Sümpf! ‹Und alle die mächtigen Könige und alle die schönen Königinnen der Welt waren nur noch wie ein Blumenbeet.› …»
    «Ich hätte wenigstens auf sie aufpassen können.»
    «Das ist doch dummes Zeug», sagte er, den Mund ganz in ihren Haaren. «Und wenn Sie weiter so weinerlich reden, werde ich noch selbst sentimental. Nun hören Sie – wann ist das passiert?»
    «Zwischen dem Abendessen und Viertel vor zehn.»
    «Fehlte jemand beim Abendessen? Denn die Sache muß ja einigen Lärm gemacht haben. Nach dem Abendessen wären Studentinnen auf dem Flur gewesen, die gehört haben könnten, wie das Glas zerschlagen wurde; oder die jemanden herumlaufen gesehen hätten, der dort nicht unbedingt hingehörte.»
    «Auch während des Abendessens können Studentinnen hiergewesen sein – manche kochen sich nur ein Ei in ihrem Zimmer. Und – o Gott! – es war jemand hier, der nicht unbedingt hierhergehörte … Sie hat auch noch etwas über die Figuren gesagt. Und sie hat sich schon gestern abend so merkwürdig aufgeführt deswegen.»
    «Wer?»
    «Miss Hillyard.»
    «Schon wieder!»
    Während Harriet ihre Geschichte

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