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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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geschlagenen Figuren herumspielte und Harriet in Todesängste stürzte, sie könnte einmal eine davon fallen lassen. Und als die Spiele beendet waren und Miss Edwards meldete, daß eine Vitrine abgestaubt und von einem Hausmädchen in Harriets Zimmer gebracht worden sei, bestand Miss Hillyard zudem darauf, die Figuren hinübertragen zu helfen, wozu sie gleich das weiße Königspaar ergriff, dessen Kopfbedeckungen mit ihren zarten, antennenartigen Verzierungen ganz besonders empfindlich gegen eventuelle Beschädigungen waren. Selbst als die Dekanin auf die Idee kam, man könne die Figuren doch viel sicherer aufrecht stehend in ihrer Schachtel transportieren, schloß Miss Hillyard sich der Gesellschaft an, die den Transport über den Hof begleitete, und ließ es sich nicht nehmen, mit anzufassen, um die Vitrine in eine günstige Position gegenüber dem Bett aufzustellen, «damit Sie», wie sie sagte, «sie sehen können, wenn Sie nachts einmal aufwachen».
     
    Der nächste Tag war zufällig Miss Martins Geburtstag. Harriet, die kurz nach dem Frühstück fortgegangen war, um auf dem Markt einen Rosenstrauß zu erstehen, und von dort auf die High Street hinausging, um beim Friseur einen Termin zu vereinbaren, wurde durch den Anblick zweier männlicher Rücken beglückt, die aus dem Hotel Mitre traten und sich, offenbar in vollkommener Eintracht, in östlicher Richtung entfernten. Den kleineren und schlankeren von den beiden hätte sie unter Millionen Rücken überall auf der Welt erkannt; und auch Mr. Reginald Pomfrets große, breitschultrige Gestalt war nicht so leicht zu verkennen. Beide rauchten Pfeife, woraus sie schloß, daß ihr Ziel nicht die Hafenwiese zum Streit mit Degen oder Pistolen sein konnte. Sie spazierten lässig dahin, wie es Leute nach einem guten Frühstück tun, und Harriet vermied es, sie einzuholen. Sie hoffte, daß «der berühmte Familiencharme», von dem Lord Saint-George einmal gesprochen hatte, hier zu einem guten Zweck eingesetzt wurde. Sie war aus dem Alter heraus, in dem sie die Rolle der Umkämpften noch genossen hätte; das hätte sie alle drei nur lächerlich gemacht. Vor zehn Jahren hätte sie sich vielleicht geschmeichelt gefühlt; aber anscheinend gehörten Machtgelüste zu den Dingen, denen man mit der Zeit entwuchs. Was man sich wünschte, dachte sie, als sie in dem parfumgeschwängerten Friseursalon stand, war Frieden – und Freiheit von dem Druck zürnender und erregter Mitmenschen. Sie meldete sich für den Nachmittag an und setzte ihren Weg fort. Als sie am Queen’s College vorbeiging, kam Peter gerade die Treppe herunter – allein.
    «Hallo!» sagte er. «Was bedeutet das Blumengebinde?»
    Harriet erklärte es ihm.
    «Braves Kind», sagte Seine Lordschaft. «Ich mag Ihre Dekanin.» Er nahm ihr die Rosen ab. «Lassen Sie mich auch mit einem Geschenk hinkommen.
     
    Macht einen hübschen Blumenkranz aus blauen Kolumbein,
Von Heckenlilien windet ihr ins Haar ein Krönelein,
Mit Rosen, rosa, weiß und rot, mit Blüten, die nicht welken,
Mit Primeln aus Jerusalem und Paradiesesnelken.
     
    Allerdings habe ich keine Ahnung, was Primeln aus Jerusalem so Besonderes sind, und wahrscheinlich haben sie zur Zeit gar keine Saison.»
    Harriet ging mit ihm in Richtung Markt zurück.
    «Ihr junger Freund hat mich besucht», sagte Peter.
    «Das habe ich gesehen. Haben Sie ihn ‹mit leerem Blick gelähmt und mit Ihrer edlen Abkunft erschlagen›?»
    «Wo er doch mein Vetter sechzehnten Grades auf meines Vaters mütterlicher Seite ist! Nein; er ist ein netter Junge, und der Weg zu seinem Herzen führt über die Sportplätze Etons. Er hat mir sein ganzes Leid geklagt, und ich habe sehr freundlich mit ihm gefühlt und dabei erwähnt, daß es bessere Arten gibt, Kummer zu töten, als ihn in einem Fäßchen Malvasier zu ertränken. Aber lieber Gott, dreh die Welt zurück und gib mir das Gestern wieder! Gestern abend war er noch ganz schön beduselt, und heute morgen hat er ein Frühstück verzehrt, bevor er zu mir kam, und ein zweites mit mir im Mitre. Ich neide der Jugend nicht ihr Herz, aber ihren Kopf und ihren Magen.»
    «Haben Sie etwas Neues von Arthur Robinson gehört?»
    «Nur daß er eine gewisse Charlotte Ann Clarke geheiratet hat und mit ihr eine Tochter namens Beatrice Maud hatte. Das war noch leicht herauszufinden, weil wir wissen, wo er vor acht Jahren gelebt hat; da konnten wir also das örtliche Personenstandsregister zu Rate ziehen. Aber zur Zeit werden noch alle möglichen

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