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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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natürlich viel verzwickter als meines – alle diese kleine Posten aus elisabethanischen Haushaltsabrechnungen und so weiter, und das alles so wundervoll geordnet und zu einer einleuchtenden Argumentation zusammengestellt. Und dann versteht sie ihre Fußnoten so einzufügen, daß sie in den Text passen. Mir fällt das immer so schwer, und wenn Miss Harper auch freundlicherweise die Reinschriften für mich anfertigt, versteht sie eben doch viel mehr von der englischen Sprache als von der Schriftsetzerei. Sie erinnern sich wahrscheinlich noch an Miss Harper. Sie war zwei Jahrgänge unter Ihnen, hat mit einer Zwei in Englisch abgeschlossen und wohnt in der Woodstock Road.»
    Harriet sagte, sie habe Fußnoten schon immer sehr ärgerlich gefunden, und fragte, ob sie einen Blick in das Buch tun dürfe.
    «Nun ja, wenn es Sie wirklich interessiert», sagte Miss Lydgate, «aber ich möchte Sie nicht langweilen.» Sie holte ein paar fertig umbrochene Seiten aus einer mit Papier vollgestopften Schublade.
    «Stechen Sie sich nicht an der Nadel, mit der ich das Manuskriptblatt angeheftet habe. Ich fürchte, es sind recht viele Randbemerkungen und Zwischenzeilen darauf, aber wissen Sie, mir war plötzlich eine Idee gekommen, wie ich mein Notationssystem noch wesentlich verbessern könnte, und dafür mußte ich den ganzen Text durchkorrigieren. Ich glaube», fügte sie zerknirscht hinzu, «die Setzer sind schon ziemlich böse auf mich.»
    Harriet pflichtete ihr im stillen bei, sagte aber tröstend, die Setzer der Oxford University Press seien es sicherlich gewöhnt, sich in den Manuskripten gelehrter Autoren zurechtzufinden.
    «Manchmal weiß ich gar nicht, ob ich eine Gelehrte bin», sagte Miss Lydgate. «Im Kopf habe ich ja immer alles ganz klar vor mir, aber sowie ich es zu Papier bringe, gerät mir alles durcheinander. Wie machen Sie das bei Ihren Romanen? Diese ganzen zeitlichen Abläufe und die Alibis und so weiter, das muß doch alles furchtbar schwer im Kopf zu behalten sein.»
    «Die geraten mir auch ständig durcheinander», gestand Harriet. «Es ist mir noch kein einziges Mal gelungen, eine Handlung zu konstruieren, in der nicht mindestens sechs schwere Schnitzer steckten. Zum Glück blicken auch neun von zehn Lesern nicht durch, darum ist das nicht weiter schlimm. Der zehnte schreibt mir dann einen Brief, und ich verspreche ihm, den Fehler in der zweiten Auflage zu korrigieren, was ich aber nie tue. Schließlich sollen meine Bücher nur unterhalten; es sind ja keine wissenschaftlichen Werke.»
    «Aber das wissenschaftliche Denken lag Ihnen», sagte Miss Lydgate, «und Ihre Ausbildung hilft Ihnen wohl auch in mancher Weise, nicht wahr? Ich hatte immer geglaubt, Sie würden die akademische Laufbahn einschlagen.»
    «Sind Sie enttäuscht, daß ich es nicht getan habe?»
    «Aber nein. Ich finde es wirklich schön, wenn unsere Absolventinnen hinausgehen und so verschiedenartige und interessante Dinge tun, sofern sie ihre Sache nur gut machen. Und ich muß sagen, die meisten unserer Ehemaligen leisten jeweils auf ihrem Gebiet Hervorragendes.»
    «Wie steht es mit den jetzigen?»
    «Nun», meinte Miss Lydgate, «wir haben ein paar sehr gute Köpfe darunter, und sie sind erstaunlich fleißig, wenn man bedenkt, was sie noch alles nebenher treiben. Nur befürchte ich manchmal, daß sie übertreiben und nachts nicht genug zum Schlafen kommen. Immer ihre jungen Männer und Autos und Partys im Kopf – ihr Leben ist soviel ausgefüllter als unseres vor dem Krieg, auch noch als Ihres zu Ihrer Zeit, glaube ich. Unsere alte Rektorin wäre sicherlich schockiert, wenn sie das College heute sehen könnte. Und ich muß sagen, manchmal bin ich selbst ein bißchen erschrocken; sogar unsere Dekanin, die gewiß großzügig ist, hält Büstenhalter und Unterhöschen nicht für den richtigen Aufzug zum Sonnenbaden auf dem Hof. Weniger wegen der jungen Männer von den anderen Colleges – die sind das wohl gewöhnt –, aber wenn die Rektoren der Männer-Colleges uns hier besuchen kommen, sollten sie doch über das Gelände gehen können, ohne zu erröten. Miss Martin mußte tatsächlich anordnen, daß Badeanzüge getragen werden – rückenfrei, wenn’s sein muß, aber wenigstens richtige Badekleidung, die dafür gemacht ist, nicht gewöhnliche Unterwäsche.»
    Harriet fand das auch nur vernünftig.
    «Freut mich, daß Sie so denken», sagte Miss Lydgate. «Es ist nicht einfach für uns von der älteren Generation, die richtige Balance

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