Aufruhr in Oxford
Arbeitsbiene und sammle den Honig für die Königinnen.»
«Wie jeder Anlaß mich verklagt!» zitierte Harriet bei sich. Man hätte annehmen sollen, daß sie wenigstens hier in Oxford einmal Ruhe vor Peter Wimsey und dem Heiratsproblem haben würde. Aber obwohl sie doch selbst eine bekannte Persönlichkeit, um nicht zu sagen eine Berühmtheit war, gab es kein Entrinnen vor der ärgerlichen Tatsache, daß Peter eine noch bekanntere Berühmtheit war und die Leute eben eher etwas über ihn wissen wollten als über sie. Was das Heiratsproblem anging, nun, da hatte man hier jedenfalls Gelegenheit, zu prüfen, ob so etwas überhaupt gutgehen konnte. Was war schlimmer: eine Mary Attwood (geb. Stokes) oder eine Miss Schuster-Slatt zu sein? Oder war eine Phoebe Bancroft (geb. Tucker) besser daran als eine Miss Lydgate? Und hätten diese Menschen sich alle in der gleichen Weise entwickelt, ob verheiratet oder ledig?
Sie ging in den Gemeinschaftsraum der Studentinnen, der leer war, abgesehen von einer farblosen, unvorteilhaft gekleideten Frau, die einsam dasaß und in einer Illustrierten las. Als Harriet vorbeiging, sah die Frau auf und sagte ein wenig unsicher: «Hallo! Sie sind doch Miss Vane, nicht wahr?»
Harriet kramte hastig in ihrem Gedächtnis. Die Frau war offensichtlich ein wesentlich älterer Jahrgang als sie – dem Aussehen nach eher fünfzig als vierzig. Wer in aller Welt –?
«Sie erinnern sich wohl nicht mehr an mich», sagte die andere.
«Catherine Freemantle.»
(Catherine Freemantle, du lieber Gott! Aber sie war doch nur zwei Jahrgänge über Harriet gewesen. Sehr intelligent, sehr geistreich, sehr lebhaft und die beste Studentin ihres Jahrgangs. Was war um Himmels willen aus ihr geworden?)
«Natürlich erinnere ich mich», sagte Harriet, «aber ich habe so ein schlechtes Namensgedächtnis. Wie ist es Ihnen denn so ergangen?»
Catherine Freemantle hatte einen Bauern geheiratet, und dann war alles schiefgelaufen. Preisverfall und Krankheit, Abgaben und Steuern, Molkereigenossenschaft und Marktverordnungen, harte Knochenarbeit, nur um zu überleben und die Kinder großzuziehen – Harriet hatte genug über den Niedergang der Landwirtschaft gehört und gelesen, um zu wissen, daß diese Geschichte alltäglich war. Sie schämte sich, daß sie so wohlhabend war und aussah. Lieber wollte sie noch einmal auf Leben und Tod vor Gericht stehen als sich in Catherines täglicher Tretmühle abrackern. Es war für sich gesehen eine Saga, aber widersinnig. Ziemlich abrupt unterbrach sie ein Klagelied über die Hartherzigkeit der kirchlichen Vermögensverwaltung:
«Aber Miss Freemantle – ich meine, Mrs. – Mrs. Bendick – es ist doch lächerlich, daß Sie so etwas nötig haben sollen. Ich meine, daß Sie selbst den Acker bestellen und in aller Herrgottsfrühe aufstehen und die Hühner füttern und wie ein Sklave schuften. Es hätte sich doch weiß Gott besser für Sie bezahlt gemacht, eine geistige Tätigkeit auszuüben und jemand für die körperliche Arbeit einzustellen.»
«Ja, das ist richtig. Aber am Anfang habe ich das nicht so gesehen. Ich hatte den Kopf voller Flausen von der Würde der Arbeit und so. Außerdem wäre es meinem Mann seinerzeit nicht recht gewesen, wenn ich mich so von seinen Interessen distanziert hätte. Natürlich wußten wir beide nicht, daß sich alles so entwickeln würde.»
Welche Vergeudung! konnte Harriet nur bei sich denken. All diese Intelligenz und Bildung vor einen Karren gespannt, den jedes ungebildete Bauernmädchen hätte ziehen können, besser sogar. Aber vielleicht gab es auch gute Seiten. Sie fragte freiheraus danach.
Gute Seiten? O ja, sagte Mrs. Bendick, die gab es gewiß. Die Arbeit an sich hatte schon einen Wert. Sie war ein Dienst am Land. Und das war, wie sie durch die Blume wissen ließ, zwar ein harter, schwerer Dienst, aber viel mehr wert, als Worte auf Papier aneinanderzureihen.
«Das will ich gern zugeben», sagte Harriet. «Eine Pflugschar ist ein viel edleres Werkzeug als ein Rasiermesser. Aber wenn Ihre natürliche Begabung Sie zum Barbier bestimmt, ist es dann nicht besser, Barbier zu sein, ein guter Barbier – und mit dem, was Sie verdienen, den Pflug in Bewegung zu halten (wenn Sie wollen)? Und wenn es noch so eine hehre Aufgabe ist – ist es Ihre Aufgabe?»
«Es muß jetzt meine Aufgabe sein», sagte Mrs. Bendick. «Man kann die Uhr nicht zurückdrehen. Man hat allen Kontakt verloren, und der Verstand rostet ein. Wenn Sie Ihr Leben mit
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