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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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stehlen. Vielleicht kann Mrs. Jukes nicht gut mit dem Geld umgehen.»
    «Jukes ist einfach ein schlechter Kerl», sagte Harriet. «Nichtsnutzig durch und durch. Am besten zieht man ihn aus dem Verkehr.»
    «Hat er viel gestohlen?» wollte die Dekanin wissen.
    «Soweit ich Annie verstanden habe», sagte die Quästorin, «glaubt die Polizei, ihm etliche Diebstähle nachweisen zu können. Ich glaube, es geht jetzt nur noch darum, herauszufinden, wo er die Sachen verkauft hat.»
    «Vermutlich hat er sie über einen Hehler losgeschlagen», meinte Harriet. «Bei irgendeinem Pfandleiher oder so. Hat er schon einmal gesessen?»
    «Nicht daß ich wüßte», antwortete die Dekanin, «obwohl er es wahrhaftig verdient hätte.»
    «Dann dürfte er wohl als Ersttäter sogar noch ziemlich glimpflich davonkommen.»
    «Miss Barton wird darüber Genaueres wissen. Wir müssen sie mal fragen. Ich hoffe nur, daß die arme Mrs. Jukes nicht auch darin verwickelt ist», sagte die Quästorin.
    «Bestimmt nicht», rief Miss Lydgate. «Sie ist so eine nette Frau.»
    «Sie muß aber davon gewußt haben», sagte Harriet, «sofern sie nicht völlig verblödet ist.»
    «Wie schrecklich, wenn man weiß, daß der eigene Mann ein Dieb ist!»
    «Ja», sagte die Dekanin. «Es müßte einem recht unangenehm sein, von dem Erlös zu leben.»
    «Einfach entsetzlich!» fand Miss Lydgate. «Für einen ehrlichen Menschen kann es doch gar nichts Schlimmeres geben.»
    «Dann müssen wir also um Mrs. Jukes’ willen hoffen», sagte Harriet, «daß sie ebenso schuldig ist wie er.»
    «Welch fürchterliche Hoffnung!» rief Miss Lydgate.
    «Nun, sie muß entweder mitschuldig oder eben unglücklich sein», sagte Harriet, indem sie der Dekanin mit einem Augenzwinkern das Brot reichte.
    «Da muß ich widersprechen», erklärte Miss Lydgate. «Sie muß entweder unschuldig und unglücklich oder mitschuldig und unglücklich sein – ich wüßte nicht, wie sie glücklich sein könnte, die Ärmste.»
    «Fragen wir die Rektorin, wenn wir sie das nächste Mal sehen», sagte Miss Martin, «ob ein Schuldiger glücklich sein kann. Und wenn ja, ob es besser ist, glücklich oder tugendhaft zu sein.»
    «Meine liebe Miss Martin» erklärte die Quästorin, «so etwas können wir hier nicht dulden. Miss Vane, bitte einen Becher Schierling für die Dekanin. Um aber zum Ausgangspunkt der Diskussion zurückzukommen – die Polizei hat Mrs. Jukes bisher nicht festgenommen, also liegt wohl gegen sie nichts vor.»
    «Das freut mich sehr», sagte Miss Lydgate, und da in diesem Augenblick Miss Shaw kam und ihr Leid über eine ihrer Studentinnen klagte, die ständig Kopfweh habe und nicht zu arbeiten imstande sei, nahm die Unterhaltung eine andere Richtung.
     
    Das Trimester ging dem Ende zu, und die Ermittlungen schienen kaum weitergediehen zu sein; es war jedoch möglich, daß Harriets nächtliche Patrouillengänge sowie die durchkreuzten Freveltaten in Bibliothek und Kapelle eine abschreckende Wirkung auf den Poltergeist gehabt hatten, denn es gab drei Tage hintereinander keinerlei Störungen, nicht einmal mehr eine Wandinschrift auf der Toilette oder einen anonymen Brief. Die Dekanin, die sehr beschäftigt war, begrüßte dankbar diese Erholungspause und durfte sich des weiteren über die Nachricht freuen, daß Mrs. Goodwin, ihre Sekretärin, am Montag wiederkommen würde, um ihr bei dem großen Ansturm zum Trimesterende zu helfen. Miss Cattermole zeigte ein fröhlicheres Gesicht und schrieb für Miss Hillyard einen ganz brauchbaren Aufsatz über die Marinepolitik Heinrichs VIII. Harriet bat die rätselhafte Miss de Vine zum Kaffee. Wie gewöhnlich hatte sie die Absicht, Miss de Vines Seele bloßzulegen, und wie gewöhnlich legte sie statt dessen nur die ihre bloß.
     
    «Ich gebe Ihnen vollkommen recht», sagte Miss de Vine, «daß es schwierig ist, seine emotionalen mit seinen intellektuellen Interessen in Einklang zu bringen. Ich glaube auch nicht, daß es nur den Frauen so geht; die Männer sind davon ebenso betroffen. Wenn aber Männer ihr Berufsleben über ihr Privatleben stellen, stößt das auf weniger Widerspruch, als wenn eine Frau dasselbe tut, weil Frauen sich mit einer Vernachlässigung ihrer Person besser abfinden können als Männer, denn sie sind schon durch ihre Erziehung darauf vorbereitet.»
    «Aber angenommen, jemand weiß nicht, welches von beiden er über das andere stellen soll. Angenommen», sagte Harriet, wobei sie auf Worte zurückgriff, die nicht ihre

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