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Aufruhr in Oxford

Aufruhr in Oxford

Titel: Aufruhr in Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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antwortete der junge Mann. «Wissen Sie, er ist eigentlich ganz menschlich, wenn man ihn richtig anpackt. Außerdem habe ich Onkel Peter ja auch in der Hand, müssen Sie wissen. Wenn es zum Schlimmsten kommt, kann ich ihm immer noch drohen, mir die Kehle durchzuschneiden und ihn auf der Krone sitzenzulassen.»
    «Auf was?» fragte Harriet, die annahm, daß es sich um den neuesten studentischen Modeausdruck für «in die Tinte setzen» handelte.
    «Auf der Herzogswürde», sagte der junge Mann, «Zepter und Krone. Vier Reihen mottenzerfressener Hermelin. Ganz zu schweigen von dieser großen Bude in Denver, die ihr eigenes verschimmeltes Gebälk auffrißt.» Als Harriet ihn immer noch verständnislos anblickte, erklärte er es ihr genauer: «Entschuldigung, das hab ich vergessen. Mein Name ist Saint-George und mein alter Herr hat es versäumt, mir Brüder mitzugeben. In dem Moment also, in dem man R. I. P. hinter meinen Namen schreibt, ist Onkel Peter dran. Natürlich könnte ihn mein Vater überleben, aber ich glaube, Onkel Peter ist nicht der Typ, der jung stirbt, falls es nicht einem seiner kleinen Ganoven doch noch gelingt, ihn ins Jenseits zu befördern.»
    «Was leicht passieren könnte», sagte Harriet im Gedanken an den Revolverhelden.
    «Na ja, und das macht es für ihn um so schlimmer», sagte Lord Saint-George kopfschüttelnd. «Je mehr er riskiert, desto eher muß er den Gang in die Ehe antreten. Aus der Traum von der Junggesellenherrlichkeit mit dem guten Bunter in seiner Wohnung in Piccadilly. Und keine sensationellen Wiener Sängerinnen mehr. Sie sehen, er setzt sein eigenes Leben aufs Spiel, wenn er mir etwas zustoßen läßt.»
    «Es sieht so aus», sagte Harriet, fasziniert ob dieses völlig neuen Aspektes.
    «Onkel Peters schwacher Punkt», fuhr Lord Saint-George fort, indem er sorgfältig die zerdrückten Meringen aus ihrem Papier löste, «ist sein starkes Pflichtgefühl gegenüber der Allgemeinheit. Wenn man ihn sieht, traut man ihm das gar nicht zu, aber er hat es. (Sollen wir die nicht mal den Karpfen anbieten? Ich finde sie wirklich für den menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet.) Bisher hat er noch den Kopf aus der Schlinge halten können. Er sagt, er will die Richtige heiraten oder keine.»
    «Und angenommen, die Richtige sagt nein?»
    «Genau die Geschichte tischt er uns immer auf. Ich glaube kein Wort davon. Wieso sollte eine Onkel Peter verschmähen? Er ist zwar keine Schönheit und kann einen dumm und dämlich schwätzen; aber er ist ganz schön betucht, hat gute Manieren und steht im Zuchtbuch.» Er stellte sich auf den Brunnenrand und starrte ins ruhige Wasser. «Sehen Sie! Das ist der große Alte. Wie der aussieht, muß er schon bei der Collegegründung hier herumgeschwommen sein – da, sehen Sie ihn? Kardinal Wolseys Schoßkarpfen.» Er warf dem Fisch einen Krümel zu, der ihn rasch schnappte und gleich wieder untertauchte.
    «Ich weiß ja nicht, wie gut Sie meinen Onkel kennen», fuhr er fort, «aber wenn Sie ihn zufällig mal sehen, könnten Sie ihm sagen, wie schlecht und verhärmt ich ausgesehen habe, als Sie mich zuletzt sahen, und daß ich düstere Andeutungen von Selbstentleibung gemacht habe.»
    «Ich werde es ihm besonders ans Herz legen», sagte Harriet.
    «Ich werde sagen, Sie konnten kaum noch auf allen vieren kriechen und sind vor Schwäche ohnmächtig in meine Arme gesunken, wobei Sie versehentlich meine sämtlichen Päckchen zerdrückt haben. Er wird’s sowieso nicht glauben, aber ich will mein Möglichstes tun.»
    «Nein – glauben ist wirklich nicht seine Stärke, hol ihn der Kuckuck. Ich sehe schon, ich werde ihm doch schreiben und die Karten auf den Tisch legen müssen. Aber ich weiß gar nicht, warum ich Sie hier mit meinen persönlichen Angelegenheiten belästige. Kommen Sie mal mit hinunter in die Küche.»
    Der Koch des Christ Church College präsentierte stolz Meringen aus dem berühmten alten Collegeofen, und nachdem Harriet pflichtschuldigst den großen Herd mit seinen blitzenden Spießen bewundert und sich die statistischen Angaben über die während der Trimesterzeit hier gebratenen Keulen und den wöchentlichen Kohlenverbrauch angehört hatte, folgte sie mit gebührenden Dankesworten ihrem Führer wieder auf den Hof hinaus.
    «Nichts zu danken», sagte der Vicomte. «Ein ärmlicher Ausgleich dafür, daß ich Sie umgeworfen und ihre ganzen Sachen auf dem Hof verstreut habe. Darf ich bei der Gelegenheit wissen, wen zu belästigen ich die Ehre

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