Aufstand der Fischer von St. Barbara
Löcher in den Backen, gestern war er noch eine Kugel, am Abend ein Strich. Nachbarn kamen, um sich das anzusehen, Bruyk schwatzte allerhand Unsinn. Das, was er sonst nur nachts schwatzte, das schwatzte er jetzt am Tage. Sein Sohn käme an Ostern auf die Schule nach Port Sebastian, auf die Schule nach Port Sebastian, sein Sohn auf die Schule. Übrigens hatte sich Bruyk schnell erholt. In einer Woche war er schon wieder dick, es war zwar nicht die richtige Dicke, er hatte auch nichts Besondres zu essen, mehr wie mit Luf aufgepumpt, dünn war die Haut und schlug Falten. In derselben Woche wurden beinah in allen Stuben zwei oder drei schlapp, das war jedenfalls etwas Merkwürdiges, wohl eine Krankheit. Da aber die meisten mager waren, war nichts zu sehen. Diese Woche war es bei Desak leer. Die kamen, sahen ein bißchen anders wie sonst aus, in die Länge gezogen, verschwommen. Wer sich aufrappeln konnte, kam, Daheim in der Stube oder im Boot konnte man nicht immer an ein und dasselbe denken. Da gab es Hallo vorn und hinten oder Kindergeschrei. Droben konnte man sich ganz undgar in das hineinversetzen, was im Frühjahr bevorstand. Das tat gut, jeden Abend dasselbe zu hören und beruhigt heimzugehen.
Hull hatte den nächsten Postdampfer benutzen wollen, dann den übernächsten. Er war immer noch da. Jetzt beschloß er den ganzen Winter über zu bleiben.
III
K urz nach Ostern wurden in den ersten Häusern am Kai und am Marktplatz die Läden hochgezogen, am Gasthaus wurde der Turm der heiligen Barbara über der Tür frisch vergoldet, die Lagerhäuser öffneten sich und erwarteten die Dampfer, die den Winter über den Umweg nach Sebastian machten. Arbeiter, Angestellte der Reederei und Händler trafen ein. Es kamen auch Kapitäne, um die angeheuerten Leute anzuweisen. Seitdem sie von der Reederei ausgesucht wurden, wohnten fast alle den Winter über mit ihren Familien in einem Vorort von Port Sebastian. Am Hafen und auf den Schiffen wurde gearbeitet, wie jedes Frühjahr. Wie jedes Frühjahr wurde der Platz zwischen Kai und Mole für den großen Jahrmarkt hergerichtet: das Fest, bei dem die Fischer, wie der junge Bredel im Herbst gesagt hatte, ihren Vorschuß für Branntwein, Tanz und Lotterie ausgaben. Es war nicht mehr weit bis Pfingsten. Noch keine einzige Bude war aufgeschlagen, bloß ein paar Kisten und Bretter waren schon aufgestapelt, da und dort sahen solche Kanten aus Zucker, Blech und Papier heraus, sonderbare Stücke einer unsinnigen wilden Freude, die es zum letztenmal und einzig und allein in St. Barbara zu verteilen gab. Endlich waren die Zeltdächer ausgespannt, übereinander auf den Leisten blühten rot und grün die Gewinde, die Schwänze der Karussellpferde starrten, die ersten Takte setzten ein, die vor Glück verrückt und heiser klangen. Die Leute zuckten zusammen, putzten sich, kamen herunter, gierig auf solche Happen von Freude. Kedennek kam auch herunter, er blieb hinter dem Schießstand stehen, da hingen solche Happen, gelbe und rote Gewinne, Kedenneks bleierne Brauen entriegelten sich. Er legte zum erstenmal lächelnd die Büchse an, zielte, wer weiß, vielleicht würde um seinetwillen die hölzerne Mühle zu klappern anfangen, – er schoß – nichts klapperte, seine Brauen zogen sich wieder zusammen. Kedenneks Frau, sie war wieder platt und dürr, schob sich gegen die Buden, streife einen Tisch, da standen Uhren, Blumentöpfe und Vasen, die waren mit Reifen zu fangen, mir nichts dir nichts konnte man so eine spitzige, glänzende Sache im Reif haben, sie wurde unruhig, berührte zaghaf ihren Mann mit ihrem Ellenbogen, man konnte drei oder sechs Reifen auf einmal haben, die hing man sich in den Arm, man brauchte sie nur nacheinander zu nehmen und zu schnicken. Sie bettelte leise, Kedennek, der wollte nicht oder hörte sie nicht, sie gingen vorbei, ihr Gesicht schrumpfe noch winziger und gelber, ein dünner, zorniger, klagender Laut kam aus ihrer Kehle. Von einem vorüberfahrenden Dampfer aus konnte man abends die Lichter in grünen und roten Fäden ins Meer rieseln sehen. Sogar noch vor der Bucht gab es ein paar Tropfen Lichter im Meer. Das Wasser zersprenkelte sie, sie trieben weit weg, vielleicht auf die offne See, wie andrer Abfall von Schiffen und Dörfern, nach Norden oder nach Süden, irgendwohin. Marie schlenderte auf der Mole herum mit zwei Freundinnen, die von der Insel zum Pfingstfest gekommen waren. Ein paar Burschen strichen um sie herum und nahmen schließlich die zwei mit.
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