Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufstand der Fischer von St. Barbara

Titel: Aufstand der Fischer von St. Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
Vom Netzwerk:
gegen die Schläfe und blutete etwas. Nyk, dessen Glieder jetzt wieder friedlich ineinander verschlungen waren, trat dicht heran und maß den am Boden liegenden Bredel mit einem ebenso unbestechlichen Blick wie zuvor den stehenden. Dann lehnte er sich wieder an die Tür.

    Unter den Köpfen, die der junge Bredel verschwommen im Dunkeln gesehen hatte, war auch Hulls Kopf. Bredel hatte nicht wissen können, daß hinter ihm im Dunkeln jemand saß, der genau wie er selbst auf das sonderbare Ereignis wartete, das ihm, Bredel, bevorstand. Hull hatte nicht nur die letzten zehn Minuten, sondern die letzten Wochen gewartet. Es war unmöglich, länger zu warten. Hull hatte den jungen Bredel eintreten sehen. Nyk war nachgekommen, er war einen Schritt näher gekommen, hatte den Arm gehoben, Hull hatte gewußt, jetzt kommt es, dann ist es geschehen, Hull fühlte Erleichterung, ausgelassene Freude. Hull stand auf und ging unters Licht. Er sagte: „Packt an!" Nyk bückte sich widerwillig, als ob er einen Befehl erhalten hätte, aber irgendein andrer stieß ihn auf die Seite und faßte den jungen Bredel um die Hüfen. Sie faßten ihn zu zweit, hoben ihn auf die Schultern und trugen ihn hinaus. Die andren gingen nach, es war ein knappes Dutzend. Sie kamen zwischen die Hütten, niemand war daheim, hier im Freien war es immer noch nicht ganz Nacht, die Pfosten waren zu unterscheiden, Kegel und Kreuze. Als sie um die Wegbiegung kamen, sahen sie drunten ein Stück Kai, bunt gewürfelt von Lichtern, man hörte auch Schießbudenknalle.
      Hull ging hinter Nyk. Auf Nyks hagerem lässigen Rücken hingen die Beine des jungen Bredel herunter und pendelten locker gegen Nyks Schultern. Sie steckten in geschnürten Stiefeln, deren Absätze aus einem Hull unbekannten Material waren. Unwillkürlich horchten alle nach dem Kai hin.   Unten am Weg trafen sie Kedennek. Kedennek sah auf, schickte die Frau heim und schloß sich an. Sie kamen über den Marktplatz. Sie hielten vor den Büros, aber da war alles dunkel. Hell erleuchtet war das Gasthaus, von oben bis unten, da war jetzt alles zusammen, was es an Angestellten, Beamten und Kaufleuten in St. Barbara gab. Sie blieben eine Minute vor der Tür stehen, dann machte einer, dem das Warten zu lang dauerte, die Tür auf, ein paar drängten nach. Von drinnen hörte man jemand rufen, was es denn gäbe. Nyk begann langsam den jungen Bredel von seinen Schultern zu lassen. Irgendein Angestellter kam heraus. Die Fischer riefen ihm zu, er sollte Leute von der Reederei herschicken. Nyk zog jetzt die Beine des jungen Bredel völlig von den Schultern des Vordermanns herunter. Er sagte: „Wir wollen den nicht, schickt einen andren!" (Später hieß es, daß Nyk bei den Worten gelacht hätte, aber das stimmte nicht. Im Gegenteil, seine Stimme klang ganz verdrießlich.) Nyks Vordermann rief: „Schickt einen andren! Wir wollen drei Fünfel Anteil bei sieben Pfennig das Kilo!"    Der junge Bredel wurde ins Haus geschafft. Dann wurden von innen die Türen verriegelt und die Läden heruntergelassen. Die Fischer riefen: „Drei Fünfel Anteil!" Zuerst riefen sie durcheinander, aber dann kam Ordnung in ihre Rufe. Aus allen Stimmen hörte man Kedenneks Stimme am lautesten. Bis in die innerste Kammer des Hauses mußte man Kedenneks Stimme rufen hören. Mächtig und mühelos kam sie aus seinem Brustkorb. Die Fischer wunderten sich, sie hatten noch gar nichts von Kedenneks Stimme gewußt. Hull stand noch immer hinter Nyk. Jetzt war es so dunkel, er hätte Bredels Absätze nicht unterscheiden können, auch wenn sie noch dagewesen wären. Er rief gleichfalls. Ein paar junge Leute, die am äußersten Rande des Jahrmarktes herumgingen, hörten die Ruferei und kamen nach dem Platz. Der Haufe wurde immer größer. Der Jahrmarkt leerte sich. In kurzen, gleichmäßigen Abständen dröhnten ihre Rufe gegen das verschlossene Haus. Aber das Haus antwortete nicht, ihre Rufe wurden heiser und durcheinander. Der Platz war schwarz von Menschen. Männer und Weiber, die durcheinander schrien und wimmelten. Hull kam der Gedanke, daß er jetzt etwas unternehmen müsse. Er erschrak. Jetzt wäre er lieber unter den vielen geblieben, unbeachtet. Er kletterte auf Nyks Rücken. Gleich gab es einen Kreis um Nyk herum, um dessen Hals Hull seine Beine gedreht hatte. Hull begann zu reden. Er sagte, was er schon auf der Versammlung gesagt hatte: Beieinanderbleiben, kein Schiff herauslassen. Die Leute hörten ihn vollkommen schweigend an. Es war

Weitere Kostenlose Bücher