Sternenfaust - 053 - Die Morax
Sun-Tarin verließ die Zentrale der STERNENFAUST II unbemerkt.
Seit Commodore Jackson den Befehl ausgegeben hatte, sich in die Randgebiete des J’ebeem-Reiches zu begeben, herrschte an Bord des Schiffes so eine Art beunruhigter Langeweile . Ein unsinniger Begriff, sicherlich, doch Sun-Tarin fiel keiner ein, der besser gepasst hätte.
Viel hatte man über den neuen Auftrag nicht erfahren – ein wohl recht unbedeutender Planet mit Namen Otano hatte einen Hilferuf abgesetzt. Darin war die Rede von einem Angriff auf diese Welt gewesen, durch einen gänzlich unbekannten Feind. Dann jedoch war der Kontakt zu Otano abgebrochen.
Mehrere Schiffe wurden daraufhin in Marsch gesetzt – neben der STERNENFAUST deren Schwesterschiffe SONNENWIND, AMSTERDAM und die MARIA STUART; von einem Dreadnought war ebenfalls gesprochen worden – der NELSON unter Commodore Mikael Sakuro. Das aber war dann auch schon alles, was bekannt war.
Es war klar, dass jeder an Bord an die Dronte dachte. Was, wenn nun schon wieder ein fremder Feind auftauchte, der dieser Gefahr gleich kam, der unter Umständen eine noch größere Bedrohung darstellte?
Der Flug nach Otano beanspruchte nach Bordzeit 22 Tage – eine lange Zeit, die bislang vollkommen ereignislos verlaufen war. Daran würde sich sicher bis zur Ankunft auch nichts ändern. Jeder ging den Routinen nach, die sein Posten mit sich brachte. Sun-Tarin spürte die wachsende Gereiztheit, die sich auch in der Zentrale breitmachte.
Manchmal war es besser, wenn man sich zurückzog. Sun-Tarin war nun bereits eine geraume Zeit lang Austauschoffizier an Bord der STERNENFAUST II, eine Zeit, in der sich bereits einiges für ihn zum Positiven hin verändert hatte.
Die offene Ablehnung, die man ihm gegenüber an den Tag gelegt hatte, war bei Teilen der Mannschaft zu Akzeptanz geworden; und wenn schon nicht dazu, dann doch in den allermeisten Fällen zu Gleichgültigkeit.
Der Kridan war selbst damit zufrieden, denn mehr konnte er einfach nicht erwarten. Zu lange hatte der Krieg zwischen den Kridan und der Menschheit getobt – hier an Bord gab es kaum jemanden, der in dieser Zeit nicht zumindest ein Familienmitglied, einen guten Freund oder gar den Lebenspartner verloren hatte. Sun-Tarin wusste das. Also hielt er sich oft mehr zurück, als das im Allgemeinen seine Art war.
Die Stimmung, die an diesem Tag in der Zentrale herrschte, benötigte nun wirklich keinen Reibepunkt, der unterschwellige Gereiztheit zum Ausbruch bringen konnte. Das hier waren alles Soldaten – diszipliniert, hoch qualifiziert und konzentriert. Sie beherrschten auch die Kunst der Geduld, des Wartens. Sun-Tarin bewunderte sie dafür. Doch auch der geduldigste Mensch mochte es nicht, wenn ihm ein anderer, der keine bestimmte Funktion ausübte, über die Schulter sah.
Lieutenant Commander Mutawesi hatte ihm kurze, beinahe beiläufige Blicke zugeworfen, die der Kridan aber sehr wohl zu deuten wusste.
Hast du nichts Besseres zu tun? Du stehst uns hier nur im Weg …
Lautlos glitt die Tür hinter Sun-Tarin zu. Ein Blick auf den Chronometer in der Zentrale hatte ihn an einen Termin gemahnt, den er nicht vergessen durfte. Er war sich nicht sicher, ob er das im Grunde nicht am liebsten getan hätte – andererseits … warum denn eigentlich nicht?
Es ging dabei um eine Einladung. Am ehesten hätte der Kridan noch damit gerechnet, von Captain Frost oder Bruder William zu einem – wie die Menschen es nannten – Plauderstündchen geladen zu werden. Doch das Ansinnen war von einer ganz anderen Seite an ihn herangetragen worden: von Sergeant Wanda Ndogo – die Massai-Nachfahre –, die an Bord den nicht offiziell besetzten Posten eines Versorgungsoffiziers einnahm. Für eine solche Dienststelle war die Besatzung der STERNENFAUST II ganz einfach zu klein. Sergeant Ndogo unterstand direkt dem Ersten Offizier van Deyk, der ihr jedoch weitgehend freie Hand ließ. Sie machte ihre Sache mehr als gut, sah diese Aufgabe jedoch nicht als Ende der Fahnenstange ihrer noch jungen Karriere im Star Corps an.
Sun-Tarin und Wanda Ndogo waren gemeinsam in den Einsatz auf Wingat VII gegangen, der Eiswelt, auf der ein entscheidender Test mit dem Virus durchgeführt worden war, der im Kampf gegen die Dronte zum Sieg geführt hatte.
Dabei war Sergeant Ndogo durch eigene Leichtsinnigkeit und Unerfahrenheit in solchen Situationen in eine lebensbedrohende Lage geraten. Der Kridan hatte eingegriffen – in buchstäblich letzter Sekunde. Sun-Tarin fühlte
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