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Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufstand der Fischer von St. Barbara

Titel: Aufstand der Fischer von St. Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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jetzt, die Abfahrt sei endgültig auf Montag festgesetzt und sollte mit allen Mitteln durchgeführt werden.
    Zuerst hatten die Frauen im letzten Augenblick etwas Fett, Zucker und Hülsenfrüchte auf Borg bekommen, aber vor drei Tagen hatte Desak seinen Laden geschlossen. Die paar Pfennige, die der nächtliche Kleinfang einbrachte, wurden von den Booten und Geräten wieder verschluckt. Auf dem Markt konnte man diese Fische fast umsonst haben; der fade, faule Geruch der Fischsuppe, ohne Fett und fast ohne Salz, lag über den Tischen und sogar über den Dächern, die Frauen wunderten sich, daß manche Kinder einen Ausschlag bekamen, ohne daß sie Fieber oder Schmerzen hatten. Mit dem Ausschlag ging es, wie mit Nehrs Verhafung. Die erste Frau ängstigte sich. Wie es aber bei den andren ebenso wurde, machte sie kein Aufebens mehr davon.
       Die Tage waren lang, ungewohnt lange, helle Landtage. Die Männer hatten es aber immer so eilig von den Tischen und aus den Betten zu kommen, als ob die Zeit drängte, als ob es keinen Zweck hätte, sich mit solchem Kram aufzuhalten. Sie hatten ihren Bescheid auf dem Büro abgegeben. Keine Ausfahrt, außer zu neuen Bedingungen.    Inzwischen war das Kedelsche Regiment von der Margareteninsel nach St. Barbara gebracht worden. In der ersten Nacht wurden Lagerhäuser geräumt, dann hatte man die Soldaten damit beschäfigt, Baracken in die Dünen zu bauen. Durch die Ankunf des Regiments gab es auch einen größeren Hafenbetrieb. Nach Feierabend wimmelte der Platz von Menschen, Licht und Lärm.    Hull saß allein mit Kedenneks Frau vor dem Tisch, er pflegte mit den Männern zu arbeiten, war später heimgegangen. Die andren waren noch aus, die Kinder schliefen. Marie Kedennek sah ihm schweigend beim Essen mit zu, er sah auf und merkte, daß sie ihn voll Haß ansah. Vielleicht haßte sie ihn, weil sie ihn als die Ursache des Aufstandes ansah; aber das war bei einer so knochigen, vom Elend durchgegerbten Frau nicht mal anzunehmen; vielleicht weil sie irgend jemand hassen mußte, weil das Kleine bald starb und die älteren den Ausschlag hatten; vielleicht auch ohne Grund, hätte ihn zu einer andren Zeit an einem andren Ort auch gehaßt. Jedenfalls konnte man ihren Haß nur in ihren Augen und innerhalb der Augen nur in ganz kleinen Punkten sehen. Niemals würde sie sich ihren Haß vor Hull, niemals vor Kedennek, niemals vor Andreas oder vor irgend jemand anmerken lassen. Als Hull fertig war, stand sie auf, zog ihre Haube ab, das tat sie sonst nur im Alkoven; etwas mußte schlapp in ihr geworden sein, daß sie es so tat, stehend, inmitten des Zimmers. Hull hatte sich immer gedacht, Marie Kedennek sei eine alte Frau, ihr Haar sei grau, es war aber reich und braun. Hull erschrak und schämte sich wirklich, Marie Kedennek so zu sehen. Jetzt fuhr auch die Frau zusammen, zog ihr Tuch hoch und legte sich schlafen. Hull ging weg. Unterwegs traf er auf Desaks Marie. Er hatte geglaubt, sie wäre längst abgefahren, wie im vorigen Sommer. „Wozu soll ich denn abfahren? Wenn ich nur in die Dünen brauche? Was die Hauptsache ist von den Soldaten, die liegen ja hier in St. Barbara." – „Also so eine bist du. Hast im Winter getan, als ob du Wunder was für eine wärst; damals mit der Sache mit Bredel, hast dein Maul gut voll genommen." – „Natürlich hab ich's vollgenommen, und jetzt hab ich's wieder zugemacht", sagte Desaks Marie; „ich hab nicht viel zuzusetzen und von dir werd ich auch nicht fetter."    Am frühen Morgen hatte sich das ganze Dorf, Männer, Frauen und Kinder, am Hafen eingefunden, um die Abfahrt der „Marie Farère" zu verhindern. Da die Reedereien sich an den Präfekten gewandt und mit ihm vereinbart hatten, die „Marie Farère" unter allen Umständen ausfahren zu lassen, waren Soldaten des Kedelschen Regimentes zugezogen worden, um, wenn nötig, die Ausfahrt zu schützen. Sie standen den Kai entlang. Die Leute von St. Barbara standen in dichten Haufen auf dem Marktplatz. Es war nach Sonnenaufgang, scharfer Wind, steigende Flut. So viel sie waren, man konnte das Wasser rauschen hören. Je schärfer der Wind wehte, je lustiger die Lichtchen hüpfen, die er über den Hafen und die Dächer versprenkelte, desto verzweifelter wurde die Stille. Plötzlich rief eine Stimme aus dem Hafen eine Drohung zu der „Marie Farère" hinüber. Ein paar helle Bubenstimmen fielen ein, froh, tönen zu dürfen.    Sie rückten gegen den Hafen, von drüben rief eine scharfe Stimme:

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