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Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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aufrichtig liebt, immer als erstes begreift, nämlich: daß ich selbst unglücklich war.
    Der Ausdruck des Schreckens und der Kränkung in ihrem Gesicht war zunächst einem schmerzlichen Staunen gewichen. Als ich mich aber einen Schuft und Schurken nannte und mir die Tränen kamen (diese ganze Tirade brachte ich unter Tränen hervor), da zuckte ihr Gesicht wie in einem Krampf. Sie wollte aufstehen, mich unterbrechen; als ich verstummte, dachte sie nicht an mein Schreien: »Warum hockst du hier, warum gehst du nicht?«, sondern sah nur, daß es mir selbst sehr schwerfallen mußte, das alles auszusprechen. Zudem war sie so eingeschüchtert, die Arme; sie hielt sich für unendlich tief unter mir stehend; wie sollte sie sich erbosen, sich beleidigt fühlen? Plötzlich, wie von einem unbezwinglichen Gefühl getrieben, zu mir hindrängend, sprang sie vom Stuhl auf, aber immer noch unsicher und ohne sich von der Stelle zu wagen, und streckte mir ihre Hände entgegen … Da drehte sich auch mir das Herz um. Dann stürzte sie plötzlich auf mich zu, schlang ihre Arme um meinen Hals und brach in Tränen aus. Auch ich hielt es nicht mehr aus und schluchzte, wie ich noch nie geschluchzt hatte.
    »Man läßt mich nicht … ich kann nicht … gut sein!« stammelte ich, ging zum Sofa, warf mich nieder und schluchzte eine Viertelstunde in einem wirklichen hysterischen Anfall. Sie schmiegte sich an mich, umfaßte mich und erstarb in dieser Umarmung.
    Der Witz dabei aber war, daß das Weinen doch einmal ein Ende nehmen mußte. Und nun (ich will die ekelhafte Wahrheit niederschreiben), als ich noch schluchzend auf dem Sofa lag, das Gesicht fest an mein schäbiges Lederkissen gepreßt, begann ich allmählich, zuerst ganz von ferne, unwillkürlich, aber unaufhaltsam zu fühlen, daß es mir jetzt doch peinlich sein würde, den Kopf zu erheben und Lisa direkt in die Augen zu sehen. Weswegen schämte ich mich? – Ich weiß es nicht, aber ich schämte mich. Und dann tauchte in meiner Erregung auch noch der Gedanke auf, daß die Rollen nun endgültig vertauscht waren, daß sie jetzt die Heldin war, ich aber ein ebenso erniedrigtes und zerstörtes Geschöpf wie sie in jener Nacht – vor vier Tagen … Und dies alles ging mir bereits in jenen Minuten durch den Sinn, während ich mit dem Gesicht auf dem Sofa lag!
    Mein Gott, sollte ich sie denn wirklich damals beneidet haben?
    Ich weiß es nicht, bis heute kann ich es noch nicht entscheiden, damals aber begriff ich es noch weniger als jetzt. Ohne Macht und ohne Tyrannei über einen Anderen kann ich nicht leben … Aber … aber durch Überlegungen läßt sich ja nichts erklären, folglich sollte man auch weiter nicht überlegen.
    Ich überwand mich schließlich doch und hob den Kopf; einmal mußte es ja geschehen … Und da, ich bin heute noch fest davon überzeugt, daß es so kam, gerade weil ich mich vor ihr schämte, regte sich in meinem Herzen plötzlich ein anderes Gefühl … die Gier nach Macht und Besitz. In meinen Augen flackerte die Leidenschaft, und ich drückte fest ihre Hände. Wie haßte ich sie, und wie zog es mich in diesem Augenblick zu ihr hin! Die eine Empfindung steigerte die andere. Es war fast wie Rache! … Auf ihrem Gesicht zeigte sich zuerst Verblüffung, beinahe sogar Angst, doch nur für einen Augenblick. Sie umarmte mich voller Hingabe und Leidenschaft.

X
    Eine Viertelstunde später rannte ich in wütender Ungeduld im Zimmer auf und ab, lief immer wieder zum Wandschirm und spähte durch einen Spalt nach Lisa. Sie saß auf dem Fußboden, den Kopf an den Bettrand gelehnt und weinte, wie es schien. Aber sie ging nicht, und das war es, was mich so reizte. Nun wußte sie alles. Ich hatte sie im Tiefsten beleidigt, aber … dazu ist nichts mehr zu sagen. Sie hatte erraten, daß der Ausbruch meiner Leidenschaft Rache war, eine neue Erniedrigung ihrer Person, und daß zu meinem ursprünglichen, beinahe grundlosen Haß jetzt ein persönlicher, neidischer Haß hinzugekommen war … Übrigens will ich nicht behaupten, sie hätte das alles vollkommen klar verstanden; dafür aber hatte sie verstanden, daß ich ein ekelhafter Mensch war und vor allem nicht fähig, sie zu lieben.
    Ich weiß, man wird mir einwenden, das sei unwahrscheinlich – es sei unwahrscheinlich, so böse, so dumm zu sein, wie ich es war; man wird vielleicht auch hinzufügen, es sei doch unmöglich gewesen, sie nicht zu lieben oder eine solche Liebe nicht wenigstens zu würdigen. Warum sollte

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