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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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den nächsten:
»Hallo Bongo:
schreibe diese Zeilen zusammengekauert in einer Ecke dieses übelriechenden Hotelzimmers das einzige was die Stille durchbricht ist das KJirren von Flaschenhälsen zwischen klappernden Zähnen . . . hab eine böse Erkältung und Frostbeulen an den Füßen; 51 Asse umgedreht auf dem Tisch, alles Nieten; und das 52. kommt mit der Post . . . hab an alles gedacht, verstehst du? und jetzt merk ich was für ein elender beschissener Teufelskreis es ist... Job auf der Zitronenplantage verloren weil ich zu lang weg geblieben bin (4 Tage Hochzeit auf ner Schweinefarm) und zu wenig gepflückt hab. Fuhr zurück nach San F. und hab todsicheren Weihnachtsjob bei der Post um einen Tag verpaßt. . . hock in dieser Ecke hier im Dunkeln und warte darauf daß in der Baptistenkirche gegenüber das rote Neonlicht angeht und mir die Tränen kommen . . . Busfahrer Kontrolle verloren und 'n Hund auf der Straße überfahren . . . wünschte ich war dieser Hund gewesen, von selber bring ichs doch nicht fertig . . . sogar das verlangt eine Entscheidung von einem . . . kann meine Zigaretten nicht fin den . . . heut morgen in der Mission gewesen, konnte es nicht mehr aushaken, der unaussprechliche Fraß dreht einem den Magen um. Hab mich ein bißchen auf der Market Street umgesehen, all die hübschen Mädchen mit ihren langen Haaren wie klarer San-Frisco-Winter-Sonnenschein . . . Naja. Was soll's.
    M.« Und noch einer:
»Lieber Bongo:
Verzeih mir. Es fliegt einfach so an mich ran. Versuch mich ein bißchen gern zu haben. Heut hab ich einen neuen Rasensprenger gekauft. Der andere war schon ganz verrostet. Ich lege ein Gedicht aus >Poetry Chicago< bei. Ich mußte . . . unwillkürlich ... an mich selber denken . . . wie ich es gelesen hab. Muß jetzt schließen. Die Kinder kommen gleich heim.
    Küß mich, Meggy.« Das beiliegende Gedicht ist sorgfältig abgetippt, fehlerlos, zweifacher Zeilenabstand, und die Worte sind alle mit dem gleichen regelmäßigen Anschlag, mit der gleichen liebevollen Sorgfalt auf dem Papier eingraviert. Es ist ein schauderhaftes Gedicht. Es handelt vom Wind und von irgendeiner Tragödie, die aber so lasch vorgetragen wird, daß es wirklich nicht weit her damit sein kann. Reines 18. Jahrhundert. Schlechtes 18. Jahrhundert.
    Ich lasse die Briefe unbeantwortet. Ich erscheine regelmäßig zur Arbeit bei der Müllabfuhr. Da unten wissen sie nicht, wer ich bin. Und das ist mir recht. Sie lassen mich in Frieden. Sie lassen mich treiben. T. S. Eliot und Lawrence von Arabien sind für sie Jacke wie Hose. Manchmal bin ich zwei oder drei Tage hintereinander besoffen. Aber ich erscheine pünktlich zur Arbeit.
Wenn mich jemand anruft, muß er das Telefon nach einem bestimmten System klingeln lassen, sonst hebe ich nicht ab. Das ist kein snobistischer Tick von mir; ich will nur sicher sein, daß mir der Betreffende auch was zu sagen hat. Aber eines Nachts, als ich mich gerade für die Arbeit fertig machte, klingelte das Telefon; es war nicht das richtige Signal, aber ich war sowieso schon halb aus der Tür und dachte, was soll's, und nahm den Hörer ab. »Bongo?«
»Eh? Yeh?«
»Hör zu, ich äh, ich will mich nicht aufdrängen. Nur, ich krieg eben Zustände manchmal . . . und heut. . .«
»Oh . . . yeh . . . das geht uns allen so.«
»Hauptsache, du haßt mich nicht wegen meinen Briefen . . .« »Well, Meggy, das ist so: hassen tu ich deine Briefe eigentlich nicht. Sie sind einfach so . . .«
»Oh, ich bin ja so froh!«
Sie ließ mich nicht ausreden. Ich hatte sagen wollen, ihre Briefe seien so nichtssagend, daß sie mir mit ihrem Staubsauger-Gähnen den letzten Nerv raubten. Aber sie ließ mich ja nicht ausreden.
»Das freut mich wirklich.«
»Yeh«, sagte ich.
»Aber du hast keine Gedichte geschickt für die Zeitschrift von der Heilanstalt.«
»Ich werd mal nachsehn, ob ich was passendes finde.« »Ich bin sicher, daß sie jedes Gedicht von dir nehmen würden . . . Oder schreibst du keine Gedichte mehr? Ich kann mich noch entsinnen an die Zeit, wo in jeder Nummer von BLUE STARDUST was von dir drin war. Lilly schreibt, daß du schon seit Jahren nichts mehr schickst. Hast du denn die Little Magazines ganz vergessen?«
»Nee, die Motherfucker werd ich nie vergessen.«
»Oh, du bist ein Witzbold. Aber, ich meine, schickst du denn deine ARBEITEN gar nicht mehr raus?«
»Naja, da ist zum Beispiel EVERGREEN . . .«
»Du meinst, die haben wirklich was von dir GENOMMEN ?« »Ein- oder zweimal. Aber EVERGREEN ist

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