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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Jedenfalls, ich will mich nicht mit diesen Details aufhalten; wir machten uns schließlich auf, alle drei, und gingen hoch auf meine Bude.
Ich muß noch erwähnen, daß die lesbische Madam ein widerwärtiger Fettkloß war, mit Augen aus Pappe und sinnlosen Wülsten an den unmöglichsten Stellen, und dazu kam, daß ihr eine Hand fehlte, und an Stelle der Hand hatte sie so eine schimmernde, klobige und sehr interessante stählerne KLAUE . Also wir gingen zusammen den Bunker Hill rauf, und in meinem Zimmer sah ich mir die beiden mal näher an. Die reine, schlanke, magische junge Schönheit, und neben ihr die Tra gödie des Jahrhunderts: Schmant und Horror, maschinelles Versagen, Frontalzusammenstöße, Frösche, denen kleine Jungs die Beine ausreißen, die Spinne, die der Fliege die Eier abfrißt, und das zermatschte Hirn von Primo Camera, der unter den monotonen Playboy-Kanonaden von Maxie Baer in die Knie geht — und ich warf mich auf die Tragödie des Jahrhunderts, auf diese blödsinnige Mißgeburt aus Fett und Scheiße. Ich packte sie und versuchte, sie auf meine dreckige Matratze zu werfen, aber sie war zu nüchtern und zu stark für mich. Sie fegte mich mit ihrem puren lesbischen einarmigen Haß zur Seite und fing an, DIESEN ARM MIT DER GROSSEN INTERESSANTEN SCHIMMERNDEN STÄHLERNEN KLAUE ZU
SCHWINGEN.
Ich konnte nicht den Lauf der Sexualgeschichte ändern; dazu hatte ich nicht das Zeug.
Sie ging mir nach mit weiten, wundervollen Schwüngen dieser Klaue, und jedesmal, wenn ich mich duckte und dann den Kopf hob, um zu sehen, wo sich die KLAUE befand, kam sie schon wieder auf mich herunter. Und während Eisenklaue ihre Mordlust an mir ausließ, warf ich schnelle Blicke auf die schöne junge und heilige Nutte, und ich sah an ihrem Ge sichtsausdruck, daß sie von uns dreien am meisten litt. Sie konnte bestimmt nicht begreifen, warum ich auf diesen häßlichen Berg aus totem Fett aus war, anstatt auf das, was sie mir zu bieten hatte. Aber ich schätze, die lesbische Mama hatte längst begriffen, und jedesmal, wenn sie mit ihrer Klaue nach mir ausholte, wandte sie sich halb nach ihrer Kleinen um und sagte: »Der Kerl ist wahnsinnig, der Kerl ist wahnsinnig, der Kerl ist wahnsinnig . . .!« In einem solchen Augenblick duckte ich mich unter einem ihrer Schwinger durch und stürzte mich auf die Tür. Ich zeigte auf die Kommode und schrie: » DAS GELD IST IN DER OBERSTEN SCHUBLADE !« Und die Alte, der raffgierige Knochen, ließ sich einwickeln und wandte sich der Kommode zu. Bis sie merkte, was gespielt wurde, war ich schon den ganzen Bunker Hill hinauf. Ich sah mich um, atmete tief durch, betastete mich von Kopf bis Fuß und überlegte, wo das nächste Spirituosengeschäft war. Als ich mit der Flasche unter dem Arm zurückkam, stand die Tür weit offen und sie waren weg. Ich verriegelte die Tür, schenkte mir in Ruhe ein Glas ein und leerte es andächtig. Auf den Sex und auf den Wahnsinn. Dann kippte ich noch eins hinterher, legte mich lang und ließ die Welt ihren Lauf nehmen.
    Alles fängt an und endet mit dem Briefkasten, und wenn sie eines Tages einen Weg finden, wie man ohne Briefkästen auskommt, werden wir eine ganze Menge Probleme los sein. Aber soweit ist es noch nicht. Ich ging also nach einer schlaflosen Nacht auf meine Veranda und sah dieses große, graue, geistlose Ding an, unter dem sich gerade eine Spinne die letzten Zuckungen einer Schmetterlingsseele einverleibte. Ich steh also da und sag mir, ah, well, vielleicht der Pulitzer-Preis oder ein Reisestipendium oder mein Exemplar des »Turf Digest« (Rennsportzeitung), ich lang also rein, und da ist es: ein ein samer Brief im Kasten — ich kenne die Handschrift, ich weiß den Absender auswendig, ich kenne den Ton, das Vibrato, die krakelige Persönlichkeit jedes einzelnen Schriftzugs, jeder einzelnen Seite, das unsinnige Trommeln der Querschläger und Schrapnelle einer überkandidelten, kleinkarierten weiblichen Seele:
»Lieber Bongo:
Heut hab ich die Pflanzen gegossen. Meine ganzen Pflanzen sterben. Wie geht es Dir? Bald wird es Weihnachten. Meine Freundin Lana hält einen Kurs über Dichtung in der IrrHeilanstalt. Sie geben auch eine Zeitschrift heraus. Vielleicht kannst Du auch etwas von Dir hinschicken. Jetzt muß ich schließen. Ich bin sicher, sie würden gern was von Dir veröffentlichen. Die Kinder kommen gleich von der Schule. Ich hab Dein letztes Gedicht gelesen in der Oktobernummer von BLUE STARDUST JACKOFF . Es war wundervoll. Du bist der

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