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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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natürlich keine kleine Zeitschrift mehr. Meinetwegen sag Lilly, ich bin desertiert.« »Oh Bongo, ich hab gleich gewußt, wie ich zum erstenmal was von dir gelesen hab, daß du zu was Großem bestimmt bist. Ich hab immer noch mein Exemplar von deinem >Christus kriecht rückwärts<. Oh Bongo Bongo.«
Ich wimmelte sie schließlich ab, indem ich ihr klarmachte, daß ich jetzt dringend etwas Müll aufsammeln mußte. Ich holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank. Ich beschloß, daß ich heute den Job schleifen lassen mußte. Ich hockte mich in meinen kaputten Lehnstuhl, setzte die Flasche an, und alles andere war mir egal.
Ich kannte mal eine, die behauptete, sie sei im St.-ElisabethHospital zu Ezra Pound ins Bett gestiegen. Nach längerer Korrespondenz gelang es mir, auch die abzuwimmeln. Ich bestand darauf, daß ich von Gedichten mehr verstand, und außerdem seien die »Cantos« stinklangweilig.
Überall lagen Meggys Briefe herum. Einer lag auf dem Boden neben der Schreibmaschine. Ich stand auf, ging rüber und hob ihn auf:
»Lieber Bongo:
Alle meine Gedichte kommen zurück. Naja, wenn die nicht wissen, was ein gutes Gedicht ist, sind sie selber dran schuld. Ich nehme immer wieder deinen ersten Gedichtband zur Hand. CHRIST CREEPS BACKWARDS. Und all deine anderen Gedichtbände. Solang ich das hab, können die mir mit ihrer ganzen schrecklichen Blödheit gestohlen bleiben. Die Kinder werden gleich heimkommen. Küß mich.
    Meggy. P.S. — Mein Mann zieht mich ständig auf: >Bongo hat schon lang nichts mehr von sich hören lassen. Wast ist los mit Bongo ?<«
Ich trank die Flasche aus und warf sie in den Papierkorb. Ich konnte es richtig vor mir sehen: ihr Mann, wie er dreimal in der Woche über sie stieg. Ihr Haar wie ein verfilzter Fächer auf dem Kissen. Und sie stellt sich vor, er sei Bongo. Er stellt sich vor, er sei Bongo.
»Oh Bongo! Bongo!« sagt sie.
»Gleich, Mutti«, sagt er.
Ich lang mir noch ein Bier und gehe ans Fenster. Draußen beginnt wieder ein trüber, steriler, sinnloser Tag in Los Angeles. Ich wundere mich, daß ich noch am Leben bin. Es ist lange her seit jenem ersten Gedichtband. Es ist lange her seit dem Aufstand in Watts. John Bryan braucht einen Artikel. Ich könnte was über Meggy schreiben. Aber bei der MeggyStory fehlt noch der Schluß. Er wird morgen im Briefkasten liegen. Wenn das Ganze ein Film wäre, hätte ich den Schluß schon jetzt parat:
»Also sieh mal, John, ich kenn da so 'ne Schreckschraube. Sie geht mir auf den Wecker, verstehst du? Du weißt, wie man mit sowas fertig wird. Aber vermassel die Sache nicht. Gib ihr deinen 35-cm-Schwanz und schaff sie mir vom Hals, ja? Du kannst sie nicht verfehlen. Sie steht in diesem Zimmer mit dem Staubsauger in der Hand und Tränen in den Augen. 'n Zimmer voller Gedichtbände und Lyrik-Hefte, und sie ist unglücklich, sie glaubt, daß sie das Leben angeschissen hat, aber sie weiß überhaupt nicht, was Leben ist, verstehst du? Bring sie wieder in Ordnung, gib ihr deine 35 cm . . .« »Aw right.«
»Und John . . .« »Yeh?«
»Sauf dir unterwegs keinen an.« »Aw right.«
Ich lasse mich wieder in den Lehnstuhl fallen und schlürfe mein Bier. Ich sollte mir einen ansaufen, zu ihr hochfliegen und völlig verlaust und zerlumpt und voll wie tausend Mann an ihre Haustür klopfen, die ganze Hemdenbrust gepflastert mit Buttons: » FEUERT JOHNSON « . . . » STOP THE WAR « . . . » EX - HUMIERT TOM MIX .« Irgendwas. Aber es nützt alles nichts. Ich kann nur dasitzen und warten. Mit dem Stipendium ist es nichts. An EVERGREEN schicke ich keine Gedichte mehr. Und in meinem Briefkasten werde ich in Zukunft nur noch eins fin den:
    »Lieber Bongo:
Bläh bläh bläh bläh bläh bläh. Ich hab die Pflanzen gegossen. Die Kinder kommen gleich heim. Blah blah blah blah blah blah. Küß mich.
    Meggy.«
    Ob Balzac oder Shakespeare oder Cervantes je sowas pas siert ist? Ich möchte es ihnen jedenfalls nicht wünschen. Die schlimmste Erfindung des Menschen ist eine dreiköpfige Hydra: Der Briefkasten, der Briefträger und der Briefschreiber. Auf dem Regal steht eine blaue Kaffeekanne voller unbeantworteter Briefe. Im Wandschrank steht ein großer Pappkarton voller unbeantworteter Briefe. Wann tun all diese Leute eigentlich saufen, ficken, Geld verdienen, schlafen, baden, scheißen, essen und sich die Fußnägel schneiden?? Und Meggy führt die ganze Meute an: Küß mich, küß mich, küß mich. Ein 35-cm-Schwanz würde mich vielleicht aus der Affäre zie hen. Oder noch

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