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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Man hatte in der Schule die Wahl zwischen SportUnterricht und ROTC*, so 'ner Art Kadettenverein. Nun hatte ich am ganzen Körper solche großen, häßlichen Pickel. Ich hatte weiß Gott keinen Hang zum Militär, aber ich sagte mir, in einem Trikot sieht man die Pickel und in einer Uniform nicht. Also meldete ich mich zum ROTC.
Jeder, der was auf sich hielt, machte natürlich auf Sport. Die Versager, die Deppen, die Irren und die Aussätzigen wie ich gingen zum ROTC. Mir selbst machten die Pickel nichts aus, aber irgendwie fühlte ich mich verpflichtet, diesen reinen Helden, diesen Auserwählten meinen Anblick zu ersparen; und außerdem wollte ich vermeiden, daß sie mich ständig mit ihren mißbilligenden Röntgenaugen anstarrten. In Uniform war ich gegen ihre Röntgenstrahlen immun. Ein inneres Verhältnis zum ROTC fand ich nicht. Schließlich war ich GEFROREN .
O. K. Eines Tages fand ein Schau-Exerzieren statt, in dessen Verlauf ein Wettbewerb ablief — ich glaube, es ging darum, den Karabiner zu zerlegen und in der richtigen Reihenfolge wieder zusammenzusetzen. Die Tribünen waren vollgepackt mit Idioten — sämtliche Eltern, Verwandten usw. — und wir standen auf dem Exerzierfeld in der glühenden Sonne und führten all die unsinnigen Kommandos aus. Bald waren 50 °/o ausgeschieden, dann 75 %, und schließlich waren nur noch 10 °/o von uns übrig, und ich war immer noch dabei mit meinen großen, roten, häßlichen Pickeln im Gesicht, und es war HEISS , ich schwitzte wie ein Affe, und ich sagte mir ständig: Menschenskind, mach einen Fehler, mach doch endlich einen Fehler, und du bist aus der ganzen Scheiße raus. Aber ich konnte mich einfach nicht dazu ZWINGEN , einen Fehler zu machen. Wieder das mathematische Ding, der zwanghafte mechanische Tick des Frozen Man, der unbeirrbar ablief wie ein Uhrwerk in einem Zementblock.
Schließlich waren nur noch zwei im Rennen: mein Freund jimmy und ich. Well, dachte ich, Jimmy Hadford ist so ein krankhafter Streber, daß er einfach gewinnen MUSS , für ihn ist das schließlich lebensnotwendig, also hoffentlich macht ers, und alles hat seine Ordnung. Und dann kam das Kommando: »Order Arms!« — nein, es ging so: »Order . . .« (lange Pause) ». . . Arms!« Da ich nie ein guter Soldat war, weiß ich nicht mehr, welchen Handgriff man draufhin auszuführen hatte.
    * Reserve Officers' Training Corp?.
    Wahrscheinlich mußte man den Bolzen in den Verschluß ein setzen oder sowas. Jedenfalls, ich rammte das Ding rein, und dann schaute ich rüber und sah, daß Jimmy Mist gebaut hatte. Jimmy, der sich immer für die ganze Scheiße begeistert hatte, der vor Ehrgeiz schier aus den Nähten platzte, auf den die ganze Mannschaft ihre Hoffnung setzte . . . und jetzt, 5 Minuten vor zwölf: abserviert. Und da stand ich, allein, verschwitzt, die Pickel quollen mir aus dem Kragen, überzogen meinen ganzen Schädel, sogar in den Haaren hatte ich welche, und es war heiß, unerträglich heiß, das Uhrwerk lief ab, und ich stand teilnahmslos da, empfand weder Freude noch Ärger, einfach gar nichts. Und all die adretten Girls auf den Rängen stöhnten auf und vergin gen vor Mitleid mit ihrem armen Jimmy, und seine Eltern ließen den Kopf hängen und verstanden die Welt nicht mehr.
Das alte Arschloch von Kommandeur — ein gewisser Oberst Muggett, der sein Leben lang mit der Army verheiratet gewesen war — kam angekrochen, um mir die Medaille ans Hemd zu stecken, unter dem meine verschwitzte, pickelige Haut juckte. Er pinnte mir das Blech an die Brust und streckte mir die Hand hin. Ich nahm seine Hand und grinste ihn an. Sein Gesicht war todtraurig. Er hielt mich für eine Mißgeburt, völlig untaugliches Material. Und ich hielt ihn für einen Deppen.
Ein guter Soldat grinst nicht. Das Grinsen schien ihm klarzu machen, daß ich ihn nicht nur für einen Deppen hielt, sondern daß ich auch wußte, daß das Schicksal ihm und dem g anzen Verein an den Karren gefahren war. Er zog seine Hand zu rück und wischte sie am Hosenbein ab. Ich marschierte zurück zu meiner Einheit.
Und ihr werdet es nicht glauben: unser Leutnant baute sich vor uns auf und sagte: »Ich möchte dem Gefreiten Hadfo rd meine Hochachtung dafür aussprechen, daß er zweiter Sieger geworden ist. Die Kompanie ist stolz auf ihn.«
Dann: »Stillgestanden!«
Dann: »Wegtreten!« oder was weiß ich.
Ich sah, wie die Jungs Jimmy umringten und ihm gratulierten. Niemand sagte etwas zu mir. Dann kamen Jimmys Eltern von der Tribüne

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