Auge um Auge
darauf, dass er den Tag mit einem anderen Mädchen in seinem Bett begangen hat. Ich habe keine Ahnung, wer sie war, aber das spielt ja auch keine Rolle.
»Tut mir leid, dass ich’s nicht geschafft hab zu deiner Party. Hattest du Spaß?«, frage ich.
Alex zuckt mit den Schultern. »Nicht so richtig. Ich hatte vorher gar nichts von einer Party gewusst. Das war ganz allein Rennies Idee. Sie hat einfach nach einem Anlass zum Feiern gesucht.«
Rennie? Die steckte also dahinter? Das passte. Diese alberne Deko und das ganze Zeug. Außerdem konnte sie ja schlecht die ganze Schule in die Dreizimmerwohnung ihrer Mutter einladen.
Alex redet immer weiter. »Offenbar hat sie Lillia dazu gebracht, meine Mom zu fragen, ob sie bei uns eine Party feiern könnten. Meinen Dad hat sie an den Grill gestellt, damit er Steaks für alle machte. Es waren massenweise Leute da, alle verkleidet. Sogar Dad stand da in so einem bescheuerten Taucheranzug. Du weißt, wie gut Rennie mit Eltern kann.« Er schüttelt traurig den Kopf. »Als ich keinen Matrosenhut aufsetzen wollte, wurde sie stinkig.«
»Warte mal«, unterbreche ich ihn. »Die Leute kamen also kostümiert?«
»Ja. Rennie war eine Meerjungfrau.«
Ich beiße die Zähne zusammen. Logisch – Die kleine Meerjungfrau war das einzige Spiel, zu dem Rennie immer Lust hatte, wenn wir als kleine Mädchen in Lillias Pool badeten. »Klingt ja sehr lustig«, sage ich mit triefender Ironie, bevor ich versuche, an ihm vorbeizugehen.
»Wie gesagt, nicht so richtig.« Er stellt sich mir in den Weg und senkt die Stimme. »Warte doch mal. Bist du sauer auf mich? Meine SMS hast du doch bekommen, oder?«
Ich sehe ihm direkt in die Augen. »Wieso solltest du mich zu einer von Rennies Partys einladen?«
Er kennt unsere Geschichte. Jeder kennt sie .
Eigentlich will ich ihn noch mehr fragen, nach dem Mädchen in seinem Bett, aber als ich ihm über die Schulter blicke, lenkt mich etwas ab.
Rennie beobachtet uns.
»A-lex!«, trällert sie. »Kannst du mal einen Moment herkommen?«
»Alex hat zu tun«, rufe ich. »Und außerdem solltest du wissen, dass man Leute nicht unterbri-icht !«
Rennie seufzt. Sie packt Lillia, die am Rande des Springbrunnens sitzt, an der Hand und zieht sie hoch. »Jetzt komm schon, Alex. Wir müssen mit dir reden.«
Aber Lillia schüttelt Rennies Hand ab.
Alex wirft einen Blick über die Schulter. Ärgerlich sagt er: »Kann ich dich später anrufen?«
Ich hebe kurz die Hand zum Abschied. »Meinetwegen.« Ich hab nämlich keine Lust, das jetzt groß zu diskutieren, wo alle zu uns rüberstarren.
»Ich melde mich nach dem Footballtraining bei dir«, sagt er, während er sich rückwärts entfernt.
So laut, dass ich es mitbekommen muss, fragt Rennie ihn: »Was hast du denn mit der zu reden? Willst du sie als Putzfrau anheuern für die Yacht von deinem Onkel?«
Alex will widersprechen, aber Rennie fällt ihm sofort ins Wort. »Sei vorsichtig, Lindy«, sagt sie. »Ich meine, du kannst nicht Hinz und Kunz auf das Boot lassen. Stell dir vor, sie klaut was!«
Ich erstarre am ganzen Körper. Rennie ist diejenige, die in Läden immer schon gern mal was mitgehen ließ. Hauptsächlich Make-up aus dem Drugstore, aber manchmal auch ein T-Shirt oder ein Armband aus einem der Geschäfte in der Hauptstraße. Früher musste ich dann immer für sie Wache stehen.
Im Laufe der Jahre hat Rennie Hunderte von Gerüchten über mich gestreut – mein Dad sei ein Dealer, der mit Crystal Meth handle, und meinen Bruder Pat baue er schon als Nachfolger auf; ich hätte bei einer Übernachtungsparty mal versucht, sie französisch zu küssen, und sie habe fast eine einstweilige Verfügung gegen mich erwirken müssen, weil ich ihr ständig nachgestellt hätte, als sie mir die Freundschaft kündigte.
Lauter Lügen, bloß damit sie was zu erzählen hat. Es war mir nie wichtig genug, die Dinge richtigzustellen. Es war zum Brüllen komisch, was für fette Lügen sie verbreitete. Sie hat diesen Scheiß sogar selbst geglaubt. Außerdem hätte es ohnehin keinen Unterschied gemacht, auch wenn ich was gesagt hätte. Die Leute glauben nun einmal, was sie glauben wollen.
Ausgerechnet jetzt ist es mir aber nicht egal. Ich will nicht, dass Alex denkt, ich sei der letzte Dreck – warum auch immer.
Über seine Schulter hinweg winkt Rennie mich höchst zufrieden weg.
Bevor ich einen klaren Gedanken fassen kann, renne ich auf die Gruppe zu. Dann senke ich eine Schulter und ramme sie Rennie mit aller Kraft in
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