Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
nicht
die
einzigen
Besucher. Aus den Nebelschwaden lösten sich sechs blau
gewandete Gestalten. Ihre Gesichter waren unter langen
Kapuzen versteckt. Und eines war weiß und geschminkt. „Ihr seid spät! “, beschwerte sich Hanora, „ Wieso zur Hölle
hat das so lange gedauert!“
„ Wir
hatten kaum Sicht“, erklärte der Nordmann, „ wir
werden das nächste Mal...“
„ Ein nächstes Mal gibt es nicht !“, schallte die Dame, „ ihr
werdet wohl nie müde, meine Zeit zu vergeuden! “
„ Vergeudet nicht meine!“, fauchte Willet, „ eure Prügelknaben
brauche ich nicht.“
„ Vorsicht , Will, ich bin heute nicht zum Spaßen aufgelegt.
Und davon abgesehen gibt es eine kleine Planänderung.“
„Wie klein?“ ,
„Heute Abend findet im Haus des Stadtverwalters ein großes
Fest statt . Der Marktgraf wird auch unter den Gästen sein . Doch trotz aufwendiger Recherchen gibt es beinahe nichts,
was wir über ihn wissen, außer, dass er eine Schwäche für
Schönes hat.
Deshalb brauchen wir
eine Schlüsselperson.
Jemand, der ihn in unserem Sinne beeinflusst.“
Ihre Augen wanderten zu Velura.
„ Ihr wollt sie als Lockvogel benutzen?“, fauchte Willet
„ Kein Grund zur Panik . Dem Püppchen wird dabei nicht das
geringste Haar gekrümmt. Alles, was sie tun muss, ist sein
Interesse wecke,n damit wir eine Einladung zu seinem Ball
erhalten.“
Vell versuchte zu begreifen, was sie soeben gehört hatte,
aber Willet war schneller.
„Niemals !“, stellte er klar, „ das ist unsere Partie. Also lasst sie
aus dem Spiel, oder ich werde es hier beenden.“
„ Du drohst mir
nicht,
Will.
Sie ist die Tochter deines
verstorbenen Mentors, du wirst sie nicht wegen einem Ball
riskieren.
Davon
abgesehen,
bedarf
es
noch
einiger
Vorbereitung, weshalb ich sie nun leider in meine Obhut
nehmen muss.“
Velura wusste, was nun passieren würde. Schon in den
nächsten Sekunden würde Willet nach Tengols Schwert
greifen und dann würde alles in einem Blutbad enden.
Wenn sie nicht………. „Halt !!!!....“
Ihre Stimme schallte laut durch den Nebel.. Ihre Knie waren
weich. Sie konnte kaum atmen. „ ich werde mitkommen. “ Willet war fassungslos. Doch es gab nichts zu sagen, nichts
zu erklären. Und ohne ein Wort lief sie auf die Seite der
weißen Dame.
„ Kluges
Mädchen“, triumphierte Hanora,
„ sie
hat
augenscheinlich mehr Verstand als du.“
Ihr überheblicher Blick strafte ihn und ihr geschminkter
Mund zog ein Lächeln. „ Offensichtlich ist dir entgangen, wie
großzügig ich bisher zu dir war? Von jetzt an solltest du
meine Entscheidungen besser akzeptieren, oder die Kleine
wird von nun an mein Dauergast.“
Willet war wie erfroren. Die weiße Dame griff nun Veluras
Schulter. „ Gehen
wir!“, rief sie. Vell wurde gepackt und
mitgezogen. Willet sah ihr nach, reglos, bis die weißen
Schwaden ihn schließlich verschlangen.
Seelenstoff
Unweit des
Theaters wartete bereits
eine Kutsche.
Vier
Schimmel waren davor gespannt und ein Diener öffnete bei
Hanoras Ankunft die Kutschentür.
„Hinein mit dir“ , befahl sie. Vell kletterte auf die Sitzbank.
Sie selbst nahm ihr gegenüber Platz. Eine Peitsche knallte.
Und die rot geschminkten Lippen entblößten jetzt das von
Vell so verhasste Lächeln. „ Kein Grund zur Sorge“, tröstete
Hanora , „mit etwas Hilfe wird das heute ein Kinderspiel.“ Vell hatte keine Worte für sie. Stattdessen lehnte sie am
Fenster und sah nach draußen.
Aber die weiße Dame wollte sich nicht damit abfinden.
„ Kanntest du deinen Vater eigentlich ?“, „ Nein“ .
„ Wie schade“, fand Hanora , „ich hatte gehofft wir könnten
uns ein wenig über ihn unterhalten.“
„Tut mir leid“, erwiderte Velura unwillig, „ aber es gibt nichts,
was ich euch erzählen könnte.“
„Dann vielleicht etwas anderes“, schlug
die Dame vor ,
„immerhin werden wir heute Nachmittag viel Zeit
miteinander verbringen .“
„ Wo fahren wir denn hin ?“
„ Nennen wir ihn einen Freund. Er hat sich ganz und gar der
Ästhetik verschrieben. Und wir müssen seine Dienste heute
dringend in
Anspruch
nehmen. Nicht,
dass
es dir
an
Schönheit mangeln würde, aber an diesem Abend dürfen wir
nichts dem Zufall überlassen.“
Vell bemerkte, dass die Gegend schon nach kurzer Zeit
immer vornehmer wurde . Alte Herrenhäuser und Paläste
erstrahlten im Licht der Morgensonne. Es war die Pracht der
letzten Jahrhunderte, das Erbe früherer Könige.
. Als wäre die Zeit einfach stehen geblieben.
Vell
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