Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter

Titel: Augenblicke Der Geschichte - Das Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenther Bentele
Vom Netzwerk:
Sagen und Legenden kann vielerlei Ursachen haben: Bewusst gesteuerte Propaganda oder gewollte Überhöhung zum Beispiel. Zieht man dies jedoch mit in Betracht, so liefern uns derartige »Zeugnisse« heute durchaus auch Informationen über die Zeit, zumindest über die Zeit, in der sie entstanden sind.
    Aus dem Leben Karls des Großen gibt es viele solcher Legenden und Geschichten. Eine davon wird hier erzählt, nicht nur weil sie seit Jahrhunderten überliefert ist, sondern auch, weil sie ein recht zuverlässiges Licht auf den großen Herrscher wirft. Es geht darin um sein Verhältnis zu seinen Kindern, und nach allem, was wir darüber wissen, hätte die Geschichte wohl tatsächlich so - oder so ähnlich - geschehen können. Die Personen, von denen sie berichtet, hat es gegeben: Einhard, der bei uns Eginhard heißt, war ein wichtiger Vertrauter des Kaisers. Er war auch sein wichtigster Chronist, und sehr vieles, was wir von Karl wissen, geht auf seine »Vita Caroli Magni« zurück.
    Und Einhards Frau hieß wirklich Emma oder Imma oder Ima, aber die Tochter Karls, wie die Legende behauptet, war sie nicht - Karl der Große hatte viele Töchter, aber keine mit diesem Namen.
    Kaiser Karl der Große hing in ungewöhnlich enger Weise an seiner Familie, vor allem an seinen Töchtern. Ja, es wird berichtet, er brauchte ihre Gegenwart so sehr, dass er keine von ihnen jemals verheiraten wollte, auch nicht in einer »politischen Ehe«, wie es unter Fürsten üblich war.
    Solche Ehen, wichtig im Spiel der Mächtigen, wären vorteilhaft für den Kaiser gewesen. Er hat es aber immer abgelehnt, seine Töchter »an den Mann zu bringen«. Man kann sich nun denken, wie eifersüchtig der Kaiser darauf achtete, dass den Töchtern kein männliches Wesen zu nahe kam.
    Es geschah aber doch.
    Zum engsten Kreis des Kaisers gehörte sein Geheimschreiber, Baumeister und vertrauter Ratgeber Eginhard. Wir wissen nicht mehr, wie dieser Eginhard ausgesehen hat. Die einen reden von ihm als einem hübschen jungen Mann, andere aber sagen, er habe nicht so gut ausgesehen und sei auch gar nicht jung gewesen, doch habe er eine sehr verbindliche Art gehabt. Hätte ihn der Kaiser sonst in diplomatischen Diensten gebraucht? Sicher war er sehr gebildet, denn er war Schüler des großen Alkuin und dessen Nachfolger als Leiter der Palastschule in Aachen.
    Vielleicht war er ja zudem auch noch schlagfertig, unterhaltend, ein glänzender Reiter, ein mutiger Krieger, ein gewandter Jäger. Vielleicht konnte er himmlisch tanzen oder herrlich singen oder meisterlich ein Instrument spielen, vielleicht auch hatte er besonders schönes Haar oder besonders schöne blaue oder braune oder schwarze Augen.
    Der Fortgang der Geschichte zeigt immerhin, dass er nicht dick gewesen sein kann.
    Wichtig ist: Imma, die jüngste Tochter des Kaisers, verliebte sich in Eginhard. Verliebte sich sehr in ihn! Und er verliebte sich in sie!
    Ein Essen, bei dem er nicht zugegen war, schmeckte ihr nicht. Sie saß dann nur da, bleich und stumm, und stocherte auf ihrem Teller. Fragte ihr Vater oder eine der Schwestern oder ein Bruder, ob sie krank sei, bekam er mit kaum hörbarer Stimme zur Antwort: »Frauensachen«. Da war der Kaiser still; die Schwestern seufzten. Und die Brüder mussten ihren Mund halten.
    Schön und schlimm aber war es, dass der Geliebte meist mit bei Tische saß, oft mit dem Kaiser in wichtigen Gesprächen. Manchmal war Eginhard Gegenstand eines scheuen Blickes. Und auch seine Blicke streiften verstohlen über den Tisch, während er mit dem Kaiser redete oder ihm zuhörte, und blieben an ihrer Hand haften, weil es aufwärts zu ihrem Gesicht viel zu gefährlich gewesen wäre. So geschah es sehr selten, dass ihre Augen sich trafen und kurze, stumme Zwiesprache hielten, um sich dann scheu irgendwo anders hinzuwenden.
    Zum Glück sah niemand die Glutwelle, die Imma bei solchen Augentreffen über das Gesicht ging. Auch von ihr, der Prinzessin, wissen wir nicht, wie sie aussah, ob blond, schwarz oder braun, ob sie schlank oder kräftig war, ernst oder heiter. Ob sie groß war oder klein - nein, halt, das wissen wir, sehr klein kann sie nicht gewesen sein. Man wird schon sehen!
    Immerhin wissen wir, dass sie eine Prinzessin war, und Prinzessinnen sind immer schön. So wollen wir uns eine hübsche Imma ausdenken, sogar eine schöne, vielleicht ungewöhnlich schöne Imma, denn sie war ja nicht nur eine beliebige Prinzessin, sondern die Tochter des Kaisers.
    Freilich, Liebe lässt

Weitere Kostenlose Bücher