Augenzeugen
wenn sie nach Pferd riecht.»
«Ach, deine Eltern mal wieder», meinte er nur und leerte den Eimer über der Badewanne aus.
Seit ein paar Monaten holten Astrids Eltern ihre Enkelin nachmittags ein-, zweimal in der Woche von der Tagesstätte ab, um mit ihr zu einem Ponyhof zu fahren. Astrids Eltern, erfolgreiche Fabrikanten, Klever Hochadel, die es nie akzeptiert hatten, dass ihre Tochter mit einem sechzehn Jahre älteren Habenichts zusammenlebte, immer noch ohne Trauschein. Die es nicht nachvollziehen konnten, dass ihr einziges Kind gern bei der Kripo war und auch mit Baby von Anfang an Vollzeit arbeiten wollte. Wenn sie auch Toppe geflissentlich aus dem Weg gingen, ihre Enkelin hatten sie immer geliebt, und je älter Katharina wurde, umso mehr bemühten sie sich um engen Kontakt.
«Ja.» Astrid stand auf und sah ihn bedrückt an. «Ich sag’s dir besser gleich. Sie haben ihr heute ein eigenes Pony gekauft.»
Katharina gluckste zufrieden. «Niko!»
Toppe stellte den Eimer ab und drehte sich weg. «Wir sollten bald essen. Ich muss gleich nochmal los.»
Zwei
Norbert van Appeldorn hatte es nicht eilig. Er rauchte noch eine Zigarette, fachsimpelte eine Weile mit Look über die Fusion der beiden traditionsreichsten Klever Fußballclubs, ein Ereignis, das in der Stadt immer noch hohe Wellen schlug, rauchte noch eine, half van Gemmern beim Zusammenpacken. Erst als der Bestatter kam, um den Toten abzuholen, machte er sich auf den Weg zu Geldeks Witwe.
Vor elf Jahren war Geldek mit dem Gesetz in Konflikt geraten, aber da hatte van Appeldorn gerade Erziehungsurlaub gehabt und nicht an dem Fall mitgearbeitet, doch kannte er die Geschichte, und er kannte Geldek. Jeder in Kleve kannte Eugen Geldek. Vom argwöhnisch beäugten, wenn auch schwerreichen, so doch halbseidenen Baulöwen und Spielhöllenbetreiber aus dem Ruhrgebiet hatte er es über die letzten Jahre – durch verschiedene Investitionen und wohltätige Spenden – am Niederrhein zu einigem Ansehen gebracht und war sogar Kulturpreisträger der Stadt geworden. Geldeks Frau hatte van Appeldorn nie getroffen. Obwohl sie, wie er sich zu erinnern glaubte, maßgeblich an Geldeks Unternehmen beteiligt war, hielt sie sich im Hintergrund und mied die Öffentlichkeit.
Van Appeldorn bremste auf der Deichkrone in Brienen ab.
An der Schleuse lungerten ein paar Halbwüchsige herum, rauchten vor sich hin. Einer von ihnen schwang sich aufs Geländer, kippelte kurz, breitete dann die Arme aus und tänzelte zur anderen Seite hinüber. Seine Kumpel spendeten müden Beifall.
Van Appeldorn zuckte die Achseln – bestimmt machten die das nicht zum ersten Mal – und bog in den Privatweg ein, der zu Geldeks weißem, reetgedeckten Landhaus führte. Das Grundstück war von einer efeubewachsenen, gut zwei Meter hohen Mauer umgeben. Man munkelte, dass es Tennisplätze gab, einen Pferdestall und natürlich einen Pool, aber von dem schmiedeeisernen Tor aus, an dem er den Wagen anhielt, konnte man davon nichts sehen.
Neben dem Torpfosten war eine Gegensprechanlage eingebaut. Van Appeldorn legte den Finger auf den Klingelknopf, und augenblicklich stürmten zwei junge Rottweiler heran und sprangen gegen die Gitterstäbe. Sie machten ein derartiges Spektakel, dass man die matte Stimme, die aus dem Lautsprecher kam, kaum hörte.
«Van Appeldorn, Kripo Kleve», setzte er an, wurde aber sofort unterbrochen:
«Augenblick!»
Sekunden später ertönte ein greller Pfiff, die Hunde verschwanden, und mit einem leisen Summen öffnete sich das Tor.
Die Frau blickte ihm von der offenen Haustür unbewegt entgegen, während er den Plattenweg heraufkam. Sie trug weite, schwarze Hosen und ein kurzes, kastenförmiges Oberteil mit übergroßem Hahnentrittmuster in Schwarz und Weiß. Ihr stahlgraues Haar war zentimeterkurz, ihr Gesicht mager und tief gebräunt. Es war nicht leicht, ihr Alter zu schätzen, Mitte fünfzig vielleicht.
«Martina Geldek?» Van Appeldorn ließ sich mustern.
«Ganz recht.»
Wieder die matte Stimme, aber ihre hellgrauen Augen blickten kühl und berechnend. Er fühlte Erleichterung. Es kostete immer Überwindung, jemandem eine Todesnachricht zu überbringen, aber diese Eiskönigin würde wenigstens nicht zusammenklappen.
«Wenn Sie zu meinem Mann wollen, haben Sie Pech. Er ist heute bei einem Geschäftspartner in Duisburg.»
«Nein, Frau Geldek, das ist er nicht.»
Van Appeldorn hatte sich getäuscht. Kaum dass er seine wohl überlegten Sätze gesprochen hatte, fand er sich
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