Aura-Soma
Phänomen Farbe beschäftigt. Unsere Vorfahren aus der Eiszeit begruben ihre Toten in rotem Ocker, oder sie bemalten ihre Knochen rot, denn sie hatten verstanden, dass das rote Blut eine wichtige Grenze zwischen Leben und Tod markiert. Schon damals wurde offenbar Rot als Leben spendend angesehen.
In der ältesten indoeuropäischen Sprache, dem Sanskrit, bedeutet „ruh-ira“ Blut. Der abgewandelte erste Teil dieses Wortes ist in zahlreichen Sprachen als „Rot“ wieder zu finden: red, rouge, rosso. Und in fast allen geschichtlich dokumentierten Zeiten und Kulturen symbolisierte und symbolisiert Rot Leben (und alles, was mit „Leben“ assoziiert wird wie Vitalität, Kraft, Leidenschaft usw.) oder Tod, was mit der Vorstellung von Blut zu tun hat, die im Zusammenhang mit Rot sofort auftaucht.
Die Menschen früherer Zeiten hatten ihre Erfahrungen von Leben und Tod, sie hatten den blauen oder nachtschwarzen Himmel,sie hatten die ganze Farbsymphonie der Natur. Daraus entwickelten sie Namen und Symboliken, die zum Teil weltweit und über alle Zeiten übereinstimmten und -stimmen, zu einem weitaus größeren Teil aber variieren. So ist Grün bei den Kelten die Farbe der Brigid, der Erdgöttin. Bei den alten Chinesen hatte Grün eine ähnliche Bedeutung wie Blau, es stand für Holz und Wasser. Bei den Buddhisten und Hindus meint kräftiges Grün Leben, blasses Grün das Reich der Toten.
Blau war bei den Kelten die Farbe der Barden und Dichter, bei den alten Griechen die von Zeus und Hera als Himmelsgöttern sowie der Liebesgöttin Aphrodite. Blau stand und steht bei den Kabbalisten für Gnade und Barmherzigkeit, bei den Indianern für den Himmel und den Frieden. In der christlichen Tradition ist Blau die Farbe der Gottesmutter Maria, der Himmelskönigin – man bemerke die Parallele zu Hera und Aphrodite. Außerdem gilt Blau bei den Christen als Farbe der Treue, des Glaubens und der Ewigkeit.
In seinem Buch „Rainbow of Liberated Energy“ (Regenbogen der befreiten Energie) setzt sich Ngakpa Chögyam, ein in Großbritannien geborener tibetischer Lama, unter anderem mit den Mustern der mensch lichen Gefühle und ihrem Zusammenhang mit Farben auseinander. Darin äußert er sich sehr klar zum Problem der unterschiedlichen Bedeutungen von Farben, einem Problem, das Ihnen im Lauf Ihrer Beschäftigung mit Aura-Soma mit Blick auf andere Farbtherapien zu schaffen machen könnte.
Er setzt das tibetische System von Farben und Elementen in Beziehung zur Sichtweise der Indianer und schreibt: „Ist es möglich, etwas aus dem Unterschied zwischen diesen beiden Systemen zu lernen? Ich fürchte, die Antwort lautet nein. Wir können tatsächlich sehr wenig lernen, und nichts, das in unserem Leben irgendeinen Wert haben wird, außer der Freude, die darin liegt, wenn wir Informationen sammeln. Diese Systeme schließen sich gegenseitig aus, aber wenn wir versuchen, sie untereinander zu vermischen oder zu verbinden, verdrehen wir sie bloß. Sie funktionieren alle im Kontext ihres eigenen Wirkungsfeldes.“
Wir könnten mit beiden oder sogar noch mit weiteren Systemen arbeiten, wenn sich unser Kopf dadurch nicht überlastet fühlte. Aber bitte nicht mit beiden oder allen zur gleichen Zeit. Es sei unmöglich, die Frage nach dem wahren System zu beantworten. Alle seien wahr, sofern sie Menschen in ihrem Wachstum unterstützen. Doch seien sie alle unwahr, weil sie nicht die wirkliche Erfahrung seien, sondern diese nur abbildeten. Symbole besäßen niemals Endgültigkeit. Sie seien an Zeit und Ort und somit an gemeinschaftliche kulturelle Erfahrungen gebunden.
Vielleicht ist es für Sie hilfreich, sich dies im Zusammenhang mit Aura-Soma hin und wieder klarzumachen.
Ende des 18. Jahrhunderts wurden Theorien entwickelt, um das Phänomen Farbe zu systematisieren und verständlicher zumachen. Die beiden bekanntesten sind die physikalische, mechanistische Theorie des englischen Physikers Isaac Newton und die des deutschen Dichters Johann Wolfgang von Goethe, die heute als eine eher spirituelle angesehen wird. Aura-Soma bezieht sich auf die Sichtweise Goethes zum einen, weil er es für wichtiger hielt, das Phänomen Farbe zu erleben, statt darüber allzu viel zu theoretisieren. Und zum anderen, weil er, anders als Newton und seine Nachfolger, nicht von drei Primärfarben ausging, Blau, Gelb und Rot, sondern nur von zwei, Blau und Gelb.
Diese Prämisse hat mit der Dualität, der Zweiheit, zu tun. Sie spielt nicht nur allgemein im Leben und im
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