Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
glücklich aus. Er drückt sich gegen die Wand, zieht sich hoch und wirft dem kleinen Polizisten einen wütenden Blick zu, als er die Zelle verlässt.
»Du weißt«, fährt Robert fort, »dass du Glück hast, dass sie keine Anzeige erstattet haben. Im Bundesstaat New York bist du alt genug, um vor Gericht als Erwachsener zu gelten.«
»Ja«, stimmt Rei zu, »was habe ich doch für ein Glück! Warum haben sie mich überhaupt festgehalten, wenn sie keine Anzeige erstatten wollten? Warum haben sie mich nicht gleich freigelassen?«
»Frag deine Mutter«, sagt Robert, ohne ihn anzusehen. »Ich hatte damit nichts zu tun.«
23
Das Auto steht bei der Polizeistation für den Fall, dass es als Beweismittel gebraucht wird. Aber offensichtlich haben sie nichts Interessantes gefunden, denn Robert darf es mitnehmen. Ich hänge auf dem Rücksitz herum, um zu erfahren, ob Robert Rei ausfragt. Aber das Geräusch des Windes, der an den Fenstern vorbeisaust, wird nur ab und an von einem besorgten väterlichen Kommentar unterbrochen. »Hast du Hunger?« »Hast du Durst?« »Sollen wir beim Parkplatz rausfahren?« Rei schüttelt wieder und wieder den Kopf. Er lehnt sich an die Kopfstütze und sieht aus dem Fenster.
Es ist still, als Rei zu Hause ankommt. Yumi hat beschlossen, ihn mit eisigem Schweigen zu bestrafen. Ich widerstehe der Versuchung, ihre Teetasse umzuwerfen. Es dauert nicht lange, bis Yumis Schweigen seine Wirkung tut.
»Es tut mir leid! Denkst du, ich habe das
geplant
?«
»Ich habe dir doch
gesagt
, dass du dich da raushalten sollst! Meinst du, die hätten dich mit einer Vorstrafe noch am M.I. T. angenommen?«, entgegnet Yumi.
»Ist das das Einzige, was dir etwas bedeutet? Was ist mit Seth? Was ist mit Anna?«
»Was hat denn Anna damit zu tun?«
Rei hört auf zu reden. »Ich gehe nach oben.«
»Wir sind noch nicht fertig!«
»Vielleicht bist du noch nicht fertig, ich schon.«
Er wirft den Seesack aufs Bett und geht direkt in den Fitnessraum. Obwohl die Tür zu ist, höre ich, wie er die Fenster schließt und die Gardinen zuzieht. Er will offensichtlich alleine sein.
Ich schwebe bei dem Hängestuhl herum und versuche, logisch zu denken. Ich weiß, dass Rei vollkommen verstört ist. Obwohl Rei nur Halbjapaner ist, hat Yumi ihm die japanische Kultur nahegebracht, und da ist Ehre eine der wichtigsten Tugenden … eine Tugend, die jetzt beschmutzt wurde. Es ist egal, dass keine Anzeige gegen ihn erstattet wurde. Allein die Tatsache, dass er festgenommen worden ist und den Morgen in einer Gefängniszelle verbringen musste, reicht schon aus. Ich bin mir sicher, dass er es auch nicht besonders genossen hat, bei der Durchsuchung von einem Typen abgetastet zu werden. Rei ist bei solchen Sachen ein bisschen seltsam. Eigentlich bin ich überrascht, dass er nicht sofort unter die Dusche gegangen ist. Aber anscheinend muss er zuerst einmal einen klaren Kopf bekommen.
Circa eine Stunde später höre ich ein Motorengeräusch und ein schrilles Lachen. Ich folge dem Geräusch und sehe eine Staubwolke. Coris Auto braust in meine Einfahrt und hält mit quietschenden Reifen an.
Als Taylor vom Vordersitz klettert, bemerke ich als Erstes den großen Verband an meinem Oberarm.
»Ich hoffe, dein Arm tut heute Nacht nicht zu sehr weh!«, ruft Cori, als sie den Rückwärtsgang einlegt und Taylor noch einmal zuwinkt.
»Das ist schon okay. Findet ihr es auch so toll wie ich?«
»Wir lieben es!«, schallt ein Chor aus dem Auto, als die vier kichernden Mädchen aus der Ausfahrt fahren.
Taylor zieht ihren Kapuzenpulli an, bevor sie ins Haus geht. In ihren Händen hält sie mehrere Einkaufstüten. Mein Vater und Taylor beachten sich nicht. Doch meine Mum kommt aus ihrem Schlafzimmer, und Taylor lädt sie ein, ihre Schätze zu begutachten.
Schätze? Ich ahne Schlimmes.
Meine Mutter sagt »Ohhh« und »Ahhh« zu jedem einzelnen Teil, das Taylor aus den verschiedenen Tüten zieht. Sie kichert sogar, als sie einen roten Tanga von Victoria’s Secret sieht. Als Taylor ihr Haar zurückwirft, starrt meine Mum auf die glitzernden Ohrstecker, die mein Ohrläppchen und meinen Ohrknorpel übersäen.
»Oh!«, sagt meine Mutter angespannt. »Du hast dir Ohrlöcher stechen lassen!«
»Jupp. Ich dachte, dass du sicher nichts dagegen hast. Schließlich fandest du auch das Nasen-Piercing süß. Und schau mal, was ich noch habe!« Taylors Augen leuchten, als sie ihren Pulli vorsichtig auszieht und meiner Mum ihren verbundenen Arm
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