Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
er die Banane in seinen Mund stopft. Rei gibt ihm ein Päckchen mit Orangensaft und fischt die Müsliriegel aus seiner Tasche. Seth stopft sich einen ganzen Müsliriegel auf einmal in den Mund.
»Hat die Polizei gesehen, dass du hierhergekommen bist?«, fragt Seth mit vollem Mund.
»Nein, aber Seth … «
»Jedes Mal, wenn ich versucht habe, hier rauszukommen, um dich anzurufen, habe ich irgendwo einen verdammten Bullen gesehen!«
»Seth, ich bitte dich. Du musst dich stellen!«
Seths Miene verdüstert sich. »Darüber haben wir doch schon geredet, Rei. Ich mache das ganz sicher nicht. Was würde mir das bringen? Ich würde nur schneller im Gefängnis landen.«
»Komm schon«, fleht Rei. »Du siehst aus, als wärst du durch die Hölle gegangen.«
Er riecht, als ob er noch durch ganz andere Dinge gegangen wäre.
»Ich parke bei einem Restaurant ungefähr achthundert Meter von hier. Dort gibt es Speck und Eier … und Röstkartoffeln«, versucht Rei ihn zu überzeugen. »Wir holen uns was zum Mitnehmen, setzen uns ins Auto und reden darüber.«
Seth sieht Rei misstrauisch an. Aber wir alle wissen, dass Müsliriegel und eine Banane für Seth nicht mal eine kleine Vorspeise sind. »Na schön. Röstkartoffeln wären jetzt verdammt gut. Und wenn ich einen Polizisten sehe, bin ich raus!«
22
Unser Spaziergang zum Auto fühlt sich fast normal an. So als würden drei Freunde einfach durch den Wald wandern. Außer, dass ich keinen Körper habe und die Polizei in zwei Bundesstaaten nach Seth sucht.
Ich bin wirklich froh, dass ich Seth zuerst gefunden habe. Nach dem Durcheinander der letzten Nacht mit dem elektrischen Rauschen der Hochspannungsmasten dachte ich schon, dass ich Seth nie finden würde. Aber heute Morgen, bevor das Licht auftauchte, war alles so unglaublich friedlich. Ich versuche immer noch herauszufinden, was passiert ist und warum es überhaupt aufgetaucht ist. Habe ich es irgendwie heraufbeschworen? Oder war das eine göttliche Nachricht, die mir sagen wollte, dass die Dinge hoffnungslos sind und es Zeit ist, in den Himmel aufzufahren oder wo auch immer das Licht hinführt?
Ich kann nicht gehen. Wenn ich meinen Körper nicht zurückbekomme, wird Taylor gegen Seth aussagen und er wird den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. Ich kann nicht aufgeben. Ich
will
nicht aufgeben. Das hier ist mein Leben, meine Zeit, und obwohl es mir leidtut, dass Taylors Leben schon vorbei ist, bin ich nicht bereit, mein Leben kampflos aufzugeben.
Auch Rei würde niemals einen Freund aufgeben. Sogar jetzt hört er nicht auf, immer wieder auf Seth – erfolglos – einzureden,dass er zur Polizei gehen sollte. Es ist seltsam, ihren Stimmen zuzuhören. Sie sind tief geworden. Bisher ist mir das nie aufgefallen.
Als wir durch den Wald gehen, überhöre ich beinahe das metallische Summen einer Stimme, die weder Rei noch Seth gehört. Was ist das überhaupt für ein seltsames Geräusch? Es klingt wie ein Radio oder so was. Wir sind fast beim Parkplatz. Ich gehe schnell vor und halte abrupt an.
VERDAMMT!
Um Reis SUV mit dem hellgrünen Vermonter Kennzeichen stehen nicht einer, sondern drei Polizeiwagen. Sechs Polizisten und ein gefräßig aussehender Deutscher Schäferhund schnüffeln um das Auto herum und suchen den Waldrand ab. Ich fliege in Windeseile zu Rei zurück. Jetzt ist es mir vollkommen egal, wer mich sieht. Ich mache mich mit einem verzweifelten Ausdruck auf dem Gesicht sichtbar und signalisiere ihnen wie verrückt, in den Wald zurückzugehen.
»Was zum Teufel …?«, schreit Seth erschrocken, aber Rei versteht sofort.
»Geh zurück!« Rei packt Seths Arm und will ihn zurückziehen. Aber Seth steht wie versteinert da.
»Hey, wo ist Anna … «
»Geh einfach! Renn! Ich treffe dich später wieder!«
»Aber … «
Doch es ist zu spät. Der Hund beginnt kehlig und wild zu bellen. Die Stimmen auf dem Parkplatz werden laut. Die Männer machen ihre Taschenlampen an. Sie nehmen ihre Heugabeln in die Hand und lassen ihren Höllenhund los.
Und endlich versteht Seth, was los ist.
Seth ist wirklich schnell, aber der Hund ist schneller. Rei ist schon beinahe beim Parkplatz, als der Hund an ihm vorbeischießt. Ich drehe mich um und erreiche Seth in dem Moment, als der Hund an ihm hochspringt, ihn zu Boden wirft und seinen starken Kiefer um seinen rechten Unterarm legt, nur ein paar Zentimeter von der Stelle entfernt, wo Taylor sein Handgelenk zerkratzt hat.
Böser Hund! Lass los!
, schreie ich. Ich habe keine
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