Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
etwas.
Es ist auch nicht meine Schuld und nicht Seths Schuld. Das alles ist Taylors Schuld. Sie muss verschwinden.
24
Rei setzt sich auf und drückt seinen Daumen gegen die Stelle zwischen seinen Augen. »Okay, ich gehe noch einmal online und sehe nach, ob es einen Plan B gibt. Kannst du nachsehen, ob Seth mittlerweile wieder in Vermont ist?«
Ich finde Seth im Byers-Gefängnis, wo er auf einer Pritsche liegt und auf die Risse an der Decke starrt. Zumindest hat er geduscht und sein Handgelenk ist frisch verbunden, aber sein Blick ist leer. Er sieht aus, als ob er alle Hoffnung aufgegeben hätte.
Was wird er denken, wenn er erfährt, dass Anna Rogan die einzige Augenzeugin ist? Wird er die Veränderungen in meinem Charakter bemerken, jetzt wo Taylor Kontrolle über meinen Körper hat? Er hat mich im Wald gesehen, als ich die beiden vor der Polizei gewarnt habe … was denkt er wohl darüber? Wird er mir je vergeben können, falls ich meinen Körper nicht zurückbekomme und er für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat, ins Gefängnis kommt?
Außer Hörweite sitzen zwei männliche Polizeibeamte und die Empfangsdame um einen Tisch herum und trinken Kaffee. Genauer gesagt, sie trinkt einen dünnen Eiskaffee, der von den geschmolzenen Eiswürfeln und der Milch schon ganz wässrig ist. Bäh! Ich bewege mich zu einem Aktenschrank und lausche, denn in den letzten dreißig Sekunden habe ich schon mehrmals Reis Namen gehört.
» … glaube ich nicht. Ich kenne Yumi aus dem Laden. Sie lässt so ein Verhalten sicher nicht zu. Ich glaube, es war gut, dass sie keine Anzeige erstattet haben.« Das kommt von der Frau. Die beiden Polizisten sind der kleine, glatzköpfige Mann, der schon einmal bei Reis Haus war, und ein Typ mit dünnem Haar in der Farbe von Erdnussflips. Eigentlich ist es die Farbe von Erdnussflips, die unter den Kühlschrank gefallen sind und dort schon eine Weile herumliegen.
Der Kahlkopf: »Ja, er
wirkte
wie ein netter Junge. Aber ich habe ihm ausdrücklich gesagt, dass er mir Bescheid geben soll, wenn er von Murphy hört. Warum war er wohl sonst in New York? Er hätte uns anrufen sollen. Die Typen in New York haben sie gemeinsam gefunden. Sie kamen gerade aus dem Wald. Aber jeder, mit dem sie geredet haben, hat ausgesagt, dass Ellis nach Murphy gesucht hat, um ihn zu überreden, sich der Polizei zu stellen. Wer weiß? Ich glaube, dass er verdammt viel Glück hatte, dass sie ihn nicht auch verknackt haben.«
Der Erdnussflip: »Murphy wird morgen früh dem Gericht vorgeführt. Egal, auf was er plädiert – er ist schon so gut wie verurteilt. Alle Freundinnen der Toten haben ausgesagt, dass er sich unbedingt mit ihr am Wasserfall treffen wollte.«
Was??!!
Der Kahlkopf: »Da siehst du es. Ellis hat ausgesagt, dass Murphys Handy gestohlen wurde und er einen Zettel mit der Aufforderung gefunden hat, sein Handy am Wasserfall abzuholen. Man weiß nicht, wem man glauben kann! Diese Kids lügen so oft, sie glauben schon ihre eigenen Lügen.«
Erdnussflip: »Hat die kleine Rogan nicht alles beobachtet?«
Der Kahlkopf: »Sie hat gesagt, dass sie spazieren gegangen istund zu weit weg war, um ihre Unterhaltung zu verstehen. Aber sie wusste, was das Mädchen anhatte, und sie hat angeblich gesehen, wie er ihr Shirt aufgerissen, sie zum Abgrund gezerrt und hinuntergestoßen hat. Hast du sein Handgelenk gesehen? Sie muss sich ziemlich gewehrt haben!«
Erdnussflip: »Ich war dabei, als sie die Leiche gefunden haben. Das arme Mädchen. Murphy ist ein Tier! Du hättest ihre Bluse sehen sollen – alle Knöpfe waren abgerissen! Ich kann es ihnen nicht verdenken, dass sie auf vorsätzlichen Mord plädieren.«
Die Empfangsdame: »Der Junge ist vor einem Monat erst siebzehn geworden.«
Erdnussflip: »Strafrechtlich soll er trotzdem als Erwachsener behandelt werden.«
Genau in diesem Moment bekommt die Empfangsdame auf einmal einen sehr seltsamen Gesichtsausdruck. Sie sieht mich direkt an.
Nicht durch mich hindurch, nein, sie sieht mich.
Ist mir egal. Ich habe lange genug still gehalten. Es ist an der Zeit, die Dinge ein wenig aufzumischen.
Ich schwebe langsam von dem Aktenschrank herunter zu dem Tisch, an dem die Gruppe sitzt. Ihre Münder und Augen weiten sich. Ich gebe ihnen genug Zeit, um mich wirklich,
wirklich
gut zu sehen. Wenn ich das schon mache, dann will ich ihnen ganz großes Kino bieten. Ich tippe auf der Tastatur der Vorzimmerdame und stelle sicher, dass sie alle die Nachricht lesen können.
Seth
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