Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
nach Kiel übersiedelt. Er
ist uns vom Staatsschutz empfohlen worden, so dass wir uns eine
Sicherheitsüberprüfung sparen können“.
Hanson erhob sich von seinem Schreibtisch und
ging mit ausgestecktem Arm auf seinen Gast zu. Dieser schüttelte kräftig die
ihm zum Tagesgruß gereichte Hand. Hanson erklärte seinem Gast kurz den
Sachstand und die beabsichtigte Zielrichtung, möglichst viel über den
Anschlussteilnehmer in Moskau in Erfahrung zu bringen. Erwähnte kurz, dass man
in Russland nicht merken dürfe, dass der Anruf aus Deutschland komme. „Herr
Semskew, ihrer Phantasie und Spontaneität bleibt es überlassen, wie Sie das
Gespräch führen. Wir kennen nicht den sozialen Stand des Teilnehmers, wissen
nicht, ob er dem Proletariat, der Bildungselite oder dem Militär angehört“.
„Ja, ich verstehe. Wird sich eine Frau oder ein
Mann melden?“
Hanson hob seine beiden Schultern hilflos in die
Höhe, „wir wissen es nicht, Herr Semskew, wir wissen nichts über den
Teilnehmer. Ihr Anruf soll uns diesbezüglich Klarheit verschaffen“.
„Ja, ich verstehe, das Gespräch zeichnen Sie
doch auf oder?“
„Selbstverständlich wird das Telefonat
mitgeschnitten. Später fertigen wir ein Protokoll darüber an“.
„Ja, ich verstehe“.
Ich verstehe, ich verstehe, ich verstehe, sein
deutscher Wortschatz ist sehr einsilbig, wenn du im russischen nicht ein
bisschen gewandter und beweglicher bist, können wir uns die ganze Übung
schenken, dachte Hanson und sah schon seine Felle fortschwimmen. Als der Russe
noch demonstrativ auf das Zifferblatt seiner Armbanduhr schaute, als sei er in
Zeitdruck, rieb sich Hanson das Kinn und überlegte sich eine Wortwahl, die es
ihm gestattete den Abbruch des Unterfangens höflich in die Wege zu leiten.
„Herr Semskew, wenn Sie keine Zeit...“
„Ja, ich verstehe, die Zeit. Hier ist es jetzt
kurz vor zwei, dann ist es in Moskau kurz vor vier Uhr nachmittags. Eine gute
Zeit, da sitzen viele Moskowiter jetzt gemütlich um ihren Samowar versammelt
und trinken Tee. Gute Chancen, jemanden an die Leitung zu bekommen“.
Donnerwetter, der Kerl ist nicht so tumb, wie er
ausschaut. Und sein Tonfall war nicht uninteressiert, eher etwas neugierig,
dachte Hanson überrascht. „Wenn Sie bereit sind, werde ich nun die Nummer
wählen und Ihnen den Hörer geben, sobald ich ein Freizeichen in der Leitung
höre. Sind Sie soweit?“
„Ja, ich verstehe, es kann losgehen“.
Hanson wählte die Nummer und nickte Gerber zu,
das Aufnahmegerät zu starten.
Nach einer nervenaufreibenden Pause erklang
endlich ein Freizeichen. Hanson übergab den Handapparat, schaltete das Telefon
laut und legte seinen Zeigefinger auf seine geschlossenen Lippen. Sofort kehrte
absolute Ruhe ein, die nur durch das ständige Freizeichen jäh unterbrochen
wurde.
Es meldete sich eine offensichtlich ältere
Frauenstimme.
Semskew antwortete mit einem fragenden Unterton,
worauf ihm zögernd geantwortet wurde. Semskews Stimme verlagerte sich ins
Kategorische, die Klangfarbe seiner Stimme wurde schneidend fordernd. Ihm wurde
stockend langsam und wahrscheinlich auch ausschweifend etwas erklärt. Semskew
bekritzelte einen Notizzettel, den er sich bereit gelegt hatte.
„Er übertreibt maßlos, flüsterte Hanson Gerber
ins Ohr und fürchtete, dass das Ferngespräch viel zu schnell beendet sein
würde. Doch dann huschte ein kurzes Lächeln über Semskews Gesicht. Und wie zur
Bestätigung seines Triumphes reckte er einen seiner Daumen in die Höhe. Hanson
war verblüfft, wollte der Russe mit seinem Daumen signalisieren, dass er
erfolgreich gewesen ist? Er zog wissbegierig seine Brauen zusammen und schaute
seinen Gast fragend an, als dieser das Gespräch beendet hatte.
„Also“, hob Semskew an, „der Anschluss liegt in
einer alten Villa, nahe des „Mira Prospekts“, das sind fünf Autominuten vom
Leningrad Stadion entfernt. Ich kenne die Gegend, sie hat ihre besten Zeiten
schon lange hinter sich“.
Mensch, mach hinne, dachte Hanson genervt,
keiner interessiert sich für die Wohngegend. „Und wer hat sich gemeldet?“,
verlangte er zu wissen. Als wollte Semskew alle auf die Folter spannen, kramte
er umständlich in seinen Jacketttaschen und förderte eine Packung Papirossy
zutage. Kunstvoll und zeitraubend knickte er sich das dünne Papprohr zu einem
formvollendeten Filter. An Hansons Schläfen quollen die Adern hervor. Gerber
fürchtete, er würde vor Spannung bersten und seinen Gast unhöflich zur
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