Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
Hotelpersonal
befand sich seitdem im Alarmzustand, wenn er sich irgendwo blicken ließ. Allen
war dann ein huldvolles, devotes Lächeln ins Gesicht gemeißelt. Jeder war
bemüßigt, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Der emsige Page nestelte
nun an seinem Wintermantel, wollte ihm beim Ausziehen behilflich sein. In der
linken Manteltasche steckte aber der 38er Derringer, der nicht entdeckt werden
durfte. Unwirsch reagierte Schukow deshalb und schob den Pagen unsanft
beiseite. In der Ecke der Bar saß wieder diese junge Frau, die ihm vor zwei
Tagen zum ersten Mal aufgefallen war. Nicht wirklich schön aber interessant war
sie. Hellwach schien sie seit zwei Tagen, jeden Gast im Hotel zu mustern. Auch
jetzt soufflierte ihm sein stets paranoides zweites Ich zum wiederholten Male:
„Schukow, sei vorsichtig, nimm dich vor dieser Frau in Acht“. Ach was,
erwiderte Schukow gedanklich, was soll denn noch passieren. Alles ist doch
bisher wunderbar gelaufen. Ein gutgezapftes deutsches Bier würde seine Nerven
schon beruhigen. „Herr Ober, bitte ein Pils“.
Vielleicht sollte er dieser Frau einmal näher
auf den Zahn fühlen, sie zu einem Drink einladen und ein unverfängliches
Gespräch mit ihr führen. Um nicht als alternder Bohemien zu erscheinen,
überlegte er noch kurz, wie er den ersten Kontakt unverfänglich gestalten
sollte. Aufdringlich wollte er nicht wirken. Aus den Augenwinkeln taxierte er
sie gründlich, als sich Schritte aus der Lobby der Bar näherten. Ihr Blick
sprang zur Tür. Ihre Augen schienen etwas erwidern zu wollen. Erleichtert
lehnte sie sich zurück. Es war deutlich zu sehen, sie war von einer großen Last
befreit.
Allenthalben war der Geräuschpegel auf ein
unnatürliches Maß gesunken. Das Stimmengewirr aus der Lobby war verstummt, das
ständige Rauschen des Straßenverkehrs war auch nicht mehr zu hören.
Augenblicklich signalisierten ihm seine Antennen Gefahr. Die Nähe der Polizei
war schon fast körperlich zu spüren. Instinktiv glitt seine Hand in die linke
Manteltasche. Der Kolben seines Derringers verlieh ihm aber dieses Mal nicht
das beruhigende Gefühl, das er sonst immer verspürte, wenn er die Waffe in
seinen Händen hielt. In der Stille spürte er seine Gedanken in die jüngste
Vergangenheit zurückkehren. Schukow dachte schnell und präzise. Die Morde, sie
waren für ihn nur noch eine weitentfernte Erinnerung, waren für ihn nur
insofern von Bedeutung, als dass er sich jetzt fragte, welche Fehler ihm
unterlaufen waren, die ihn ins Visier der Polizei gebracht hatten. Er fühlte
schon den Atem seiner Verfolger in seinem Nacken, sah vor seinem geistigen Auge
seine Festnahme, fühlte die Leibesvisitation, spürte Polizistenhände an seinem
Körper nach Waffen suchen. Eine Flucht war jetzt nicht mehr möglich. Die fest
umklammerte Waffe in seiner Manteltasche durfte nicht in die Hände der Polizei
gelangen. Unter keinen Umständen. Er würde sie noch brauchen.
Schukow beäugte den neuen Gast scharf. Nein, es
war kein normaler Gast, verriet ihm sein Instinkt. Es war das Auftreten, der
Blick, mit dem er vom Eingang die Bar musterte. Und dann sein Gang, zu lässig
und sichtlich bemüht, unauffällig zu wirken. Von diesem Gast ging Gefahr aus,
das spürte Schukow. Es war ein Bulle, keine Frage, der nur seinetwegen hier
war. Die Effizienz, mit der die Polizei ihn ermittelt hatte und ihn hier
aufspürte, war unheimlich. Wie war das möglich? War es sein Schicksal, seine
Sudba, wie die Russen es nannten. Ach was, es konnte kein Bulle sein, wie
sollte die Polizei seine Spur aufgenommen haben?
Kapitel 32
Berlin, Hotel Ambera, Samstag, 29.04.1995, 22.05
Uhr
Nun denn, der Showdown beginnt, dachte Hanson
als er die Bar des Hotels betrat. Schwere Rauchschwaden hingen in der Luft.
Leichte Nervosität beschlich ihn. Sein Mund war trocken, seine Handflächen
feucht. In seinem Kopf manifestierte sich der eiserne Wille zu einer
lupenreinen Festnahme und in seinem Bauch ein seltsames Gefühl. Sanfte Klänge
eines Gassenhauers rieselten von den Deckenlautsprechern auf ihn herab, die ihn
auch nicht beruhigen konnten, im Gegenteil. Er wurde noch ruheloser. Ein
unbestimmtes Gefühl in seinem Magen mahnte ihn zur Vorsicht. In der Ecke saß
seine Kollegin und nippte an einem Wodka-Martini. Mit ihrem Kinn und
hochgezogenen Brauen deutete sie in Richtung Theke. Dort stand die Zielperson.
Eine mit einem eleganten Kamelhaarmantel mit lässig umschlungenem Gürtel
bekleidete männliche Person, die in
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