Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
verhallen und
die Stille im Festsaal anwachsen.
Die mit flammender Leidenschaft gehaltene Rede
verfehlte ihre Wirkung nicht. Jeder im Saal war bereit, dieser visionären
Entschlossenheit mit kompromisslosem Engagement zu folgen.
„Da wir nun beschlussfähig sind“, meldete sich
der Vorsitzende zurück, „bitte ich jetzt alle Anwesende des Exekutivkomitees um
das Handzeichen. Wollen wir mit dem Kreuzzug gegen das Elend in unserem Lande
endlich beginnen?“
Applaus brandete durch den kleinen Festsaal. Der
Applaus war eine deutliche Manifestation des Aufbegehrens gegen die in Russland
herrschenden Verhältnisse. Wie konnte er sich da verweigern? Getragen von der
allgemeinen Begeisterung hob auch er, wie alle anderen, seinen Arm.
Wie auf Kommando, servierten ein halbes Dutzend
Kellner geeisten Wodka in kristallenen, edlen Gläsern, aus denen sicher auch
die Romanows vor langer Zeit schon getrunken haben dürften.
„Wie ich sehe, ist mein Vorschlag einstimmig
akzeptiert worden“. Wieder brach Applaus los, nur heftiger und lauter.
„Freunde, ich erhebe mein Glas und stoße auf ein
gutes Gelingen der zweiten, entscheidenden Phase an.
Nasdrowje!“
Endlich, die Entscheidung lag hinter ihm. Eine
schwere Last fiel von ihm ab. Gierig griff er sein Glas und stürzte den Inhalt
mit einem Zug in sich hinein. Wohlige Wärme breitete sich in seinem Inneren
aus. Er war froh und erleichtert, seinem geliebten Russland einen patriotischen
Dienst erwiesen zu haben. Nun musste er dem Vorsitzenden seinen ausgewählten
Aspiranten präsentieren.
Kapitel 1
Moskau, Flughafen Wnukowo, Mittwoch, 11.01.1995,
21.00 Uhr
Der Schneesturm wütete in diesen Januartagen
besonders kräftig. Wie ein Raubtier mit eisigem Atem fiel er über den Flughafen
her und rüttelte mit zerstörerischer Gewalt an der gesamten Glasfront des
Abfertigungsterminals. Eine solche Naturgewalt war schon lange nicht mehr über
den Airport hereingebrochen. Große, gläserne Flügeltüren wurden spielend
leicht aufgedrückt, und immer wieder wehten heftige Schneeböen in die riesige,
für internationale Abflüge reservierte Abfertigungshalle. In der Cafeteria drückte
der Sturm zwei große Glasscheiben ein; der Oberkellner wurde durch
herumwirbelnde Glassplitter geringfügig verletzt. Fluchtartig verließen die
Gäste das Lokal. Sie drängten sich nun mit anderen Passagieren in die hinteren
Areale der Abfertigungshalle, dort waren sie ein wenig besser vor der
schneidenden Kälte geschützt. Dieses zählebige Tiefdruckgebiet währte nun schon
mehrere Tage und schaufelte immer mehr Schnee vom Osten heran. Mal musste doch
Schluss sein. Aber ein Ende war nicht abzusehen. Manchmal, für wenige Sekunden,
schienen die urwüchsigen Naturgewalten innezuhalten, um dann aber mit noch
größerer Heftigkeit zurückzukommen.
Die Maschine der polnischen
Luftfahrtgesellschaft LOT, Moskau via Warschau nach Berlin, hätte schon vor 50
Minuten starten müssen. Wegen zu starken Schneefalls konnte die Flugsicherheit
nicht mehr gewährleistet werden. Starts und Landungen wurden nicht mehr
genehmigt. Anfliegende Verkehrsmaschinen mussten auf andere, weit entfernte
Flughäfen ausweichen. Der Airport war nun schon seit zwei Stunden vorübergehend
geschlossen.
Alexander Konstantinowitsch Schukow, Oberst a.D.
des ehemaligen sowjetischen Geheimdienstes, wurde langsam nervös. Sollten die
Nachrichten, die von der deutschen Presseagentur, dpa, weltweit über den Ticker
verbreitet wurden, stimmen, war, wie ihm bedeutet wurde, Eile geboten. Die
Zielperson durfte den deutschen Ermittlungsbehörden nicht in die Hände fallen.
Zuviel, wurde ihm gesagt, stünde auf dem Spiel. Aber Hast und Eile waren bei
schwarzen Operationen, die geheim durchzuziehen waren, oftmals tödlich. Viel zu
oft mussten Agenten seines Operationsdirektorates deswegen beerdigt werden. Es
waren immer herbe Verluste für den KGB.
Für die eigentliche Ausführung des Unternehmens
war der Zeitfaktor deshalb von nicht unerheblicher Bedeutung. Die Planungen,
das Anschieben des Vorhabens, wollte er auch nicht übers Knie brechen, das
könnte sich später bitter rächen. Nein, eine leichte Nervosität konnte er nicht
mehr unterdrücken. In seiner aktiven Dienstzeit hatte er ein dickeres Fell, war
auch in besserer Form, schlank und athletisch. Die Jahre und die Zeit nach
seiner Pensionierung hatten aber vieles ins Gegenteil verkehrt. Jetzt fingen
zum ersten Male seine Nerven an zu flattern. Vielleicht hatte es
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