Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
jedoch mehr
mit seinem Alter als mit dem Auftrag zu tun, immerhin würde er in zehn Monaten
sechzig Jahre alt werden. Aber er würde bei diesem Auftrag schließlich nur die
Durchführung leiten, im Hintergrund agieren und die Fäden ziehen. Was sollte da
schon passieren? Früher, als junger Leutnant bei der GRU, dem Nachrichtendienst
der sowjetischen Streitkräfte, hatte er an operativen Feldaktionen
teilgenommen. Sein methodisches Vorgehen hatte seinerzeit das Interesse seiner
Vorgesetzten geweckt. Dieses Talent wollte man effektiver nutzen, er wurde zum
größten Rivalen der GRU ins Hauptquartier des KGB versetzt. Hier war sein
Geschäft die exakte Planung internationaler Feldoperationen. Das geistige
Know-how fast aller Unternehmungen des Dienstes spiegelten seine Handschrift
wider. Da dieses jetzige Vorhaben aber keinen Aufschub duldete, musste er
diesmal direkt vor Ort seinen Kontaktmann in Deutschland treffen. Er kannte ihn
nicht, kannte seine Zuverlässigkeit nicht. Welche Stärken hatte er? Viel
wichtiger aber war es, seine Schwächen zu kennen. Wo war er angreifbar? Für
Schukow war dieser Mensch ein unbeschriebenes Blatt. Dossiers konnten oder
wollten seine Auftraggeber nicht zur Verfügung stellen. War gar zu befürchten,
in Deutschland einen mehr als unsicheren Kantonisten anzutreffen?
Ein anderes, viel größeres Problem für Schukow
war die Geheimhaltung dieser schwarzen Operation. Die Geheimhaltung, das wusste
er, war ein schwer einzuschätzendes Element. Wer, welcher Personenkreis wusste
von seinem Einsatz?
War es klug oder närrisch diesen Auftrag
anzunehmen? Lange Zeit war er sich nicht im Klaren. Einerseits wurde er nobel
honoriert, andererseits aber ... . Ach, scheiß drauf, er brauchte das Geld.
Kopfzerbrechen bereitete ihm nur diese verdammte, fast schon manische
Geheimniskrämerei seiner Auftraggeber. Sie war aber mehr ein störender als ein
beängstigender Fakt, beruhigte sich Schukow. Er bestimmte die Regeln, er hatte
das Heft des Handelns in der Hand. Sein Gegenüber in Deutschland
würde keine Chance bekommen, zu reagieren, ein
großer Vorteil bei Feldoperationen auf dem Gebiet des Klassenfeindes, der nicht
unterschätzt werden durfte.
Und wenn das Unternehmen in Schieflage geraten
sollte, müssten notfalls in Ostdeutschland die alten Seilschaften reaktiviert
werden. Alle entsprechenden Telefonnummern waren codiert und auf hauchdünnem
Pelürepapier in seinem Anzugssaum eingenäht. Zum Dechiffrieren bräuchte man
schon einen sehr guten Kryptologen. Sicherlich ein großes Problem für die
provinziellen Sicherheitsorgane in Deutschland.
Immer heftiger tobte der Schneesturm, immer
länger wurde die Wartezeit, zuviel Zeit, um zu überlegen, was alles schief
laufen könnte. Diese bevorstehende Aktion bereitete ihm immer größeres
Unwohlsein, je öfter er alle notwendigen Schritte durchdachte. Sie ist, ja, von
wem eigentlich?, das war ihm immer noch nicht klar, offensichtlich ad hoc
entschieden worden. Per E-Mail ist ihm eine interessante Offerte anonym
unterbreitet worden. Viel Geld wurde ihm geboten. Als er Interesse erkennen
ließ, brachte der Geldbriefträger tags darauf einen ansehnlichen Betrag, den
auszuschlagen er nicht wagte oder konnte. Viel zu schnell hatte er sich durch
das Geld einbinden lassen. Wusste er doch genau, wie Agenten angeworben wurden.
Mit dem vielen Geld hatte auch er sich jetzt ködern lassen. Was sollte er tun,
er und seine Frau waren auf das Geld angewiesen. Seine wirtschaftliche
Situation zwang ihn zu einem solchen Schritt. Die medizinisch notwendige
Operation wollte er im Westen erledigen lassen. Daran war aber ohne Geld nicht
zu denken. Ohne Operation prognostizierten ihm die Ärzte noch höchstens ein
Jahr Schmerzfreiheit, dann würde der Bauchfellkrebs schnell zum Ende führen.
Die Pension aber, die er nach dreißig Dienstjahren im KGB nach dem
Zusammenbruch der Sowjetunion bekam, reichte für ihn und seine Frau kaum zum
Leben. Wie sollte da noch eine Operation im Westen bezahlt werden können. Auch
die monatlichen Mietkosten drückten gewaltig. Dreimal mussten sie umziehen, in
immer miesere Wohnungen. Jetzt wohnte er mit seiner Frau in einem Viertel, das
zu den weniger vorzeigbaren Stadtteilen Moskaus gehörte. Baufällige Villen aus
den vergangenen Jahrhunderten. Sie mussten sich mit zwei anderen Mietparteien
eine Etage in einer solchen Villa mit nur einem Telefonanschluß teilen. Ein Fernmeldetechniker
seines ehemaligen Dienstes war bereit, von diesem
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