Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
die beiden Tatortberichte und die Tatortbefundberichte zu schreiben.
„Einigt euch, wer welche Berichte schreibt und
klebt möglichst viele Tatortbilder in die Berichte mit ein. Ein Bild sagt mehr
als tausend Worte“.
Eine Gewissenspein beschlich Hanson schon. Die
Durchsuchung des Chalets hätte er nicht auf die lange Bank schieben dürfen. Es
ist ein kriminalistisches Dogma, Wohnungen von Mordopfern sofort zu
durchsuchen. Solche Maßnahmen gehörten gleichsam noch zum ersten
Sicherungsangriff, sind genau so dringend wie die Tatortaufnahme selbst. Die
dünne Personaldecke ließ aber keine andere Entscheidung zu. Vielleicht würde er
morgen von Wolff eine Personalverstärkung von mindestens drei Beamten fordern.
Dann fragte Hanson zum Staatsanwalt Voß gewandt,
ob er in diesem frühen Stadium irgendwelche Ermittlungsansätze sehen könne, die
zu ergreifen keinen Aufschub duldeten.
Voß schüttelte nur den Kopf.
„Gut, dann fahre ich jetzt mit dem Rest der
Truppe an die Kreisstraße zur Hausbefragung. Zwei Fahrzeuge genügen. Axel, bitte
kümmern Sie sich um die Autos. Treffen in zehn Minuten im Innenhof“.
Jenseits der Kreisstraße, gegenüber der
Einmündung des Waldweges, war eine Ansiedlung einiger Wohnhäuser, die
abzuklappern Hanson sich mit seiner kleinen Truppe vorgenommen hatte. Klinkenputzen
war der prägende Polizeijargon für eine solche Hausbefragung. Die Fragen, die
sie den Hausbewohnern zu stellen beabsichtigten, waren mehr oder weniger
standardisiert. Auf einen Nenner ließen sie sich auf: wer hat wann, wo etwas
Verdächtiges gesehen?, zusammenstreichen.
Ein Vernehmungstrupp nahm sich die rechte
Straßenseite vor. Hanson selbst mit seiner Kollegin Einemann die linke Seite,
wobei er sich diskret, gleichsam wie eine grauen Eminenz, im Hintergrund halten
wollte.
An der ersten Tür klingelte die junge Kollegin
mehrmals. Zuerst sah Hanson arthritische Hände, die sich vergeblich mühten, die
Sperrkette zu lösen. Dann schob sich ein faltenreiches und verhutzeltes Gesicht
in den Türspalt. Das alte Mütterchen, in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen
geboren und erkennbar debil, begriff nicht, dass die Kriminalpolizei vor ihrer
Tür stand. „Jutta, auf Grund ihrer Altersdemenz wird diese Dame nicht mal mehr
ihr eigenes Spiegelbild erkennen“, raunte Hanson seiner Kollegin zu. Er
notierte sich die zwei unterschiedlichen Namen von der Klingelleiste und gab
seiner Kollegin ein Zeichen, die Befragung einzustellen. „Wir werden zu einem
späteren Zeitpunkt mit den anderen Bewohnern dieses Hauses fernmündlich Kontakt
aufnehmen“.
Zum nächsten Haus waren es nur wenige Schritte.
Hier öffnete auch nach pausenlosem Klingeln niemand. Offensichtlich waren die
Bewohner nicht zu Hause.
Sie verließen das Grundstück, um am nächsten
Haus ihre Fragen zu stellen. Gerade als Hanson die geöffnete Gartenpforte
wieder schließen wollte, sah er seinen jungen Kollegen Axel Rütter über die
Straße laufen und mit seinem Notizblock wedeln. Es war unverkennbar, er hatte
eine wichtige Information, die nicht warten konnte, mitzuteilen.
„Chef, der Hausherr von gegenüber, Hermann Gerdes
heißt er, ist gestern in den Nachmittagsstunden mit seinem Wagen nach Hause
gekommen und hat die Kreisstraße in Höhe der Einmündung des Waldweges mit
seinem Wagen passiert. Ein roter Jeep sei dort geparkt gewesen, ohne dass er
eine Person gesehen habe. Dann sei er die Straße weiter hoch gefahren und nach
links in diese Wohnstraße, in der wir jetzt stehen, eingebogen“.
Hanson wusste sofort, dass war vermutlich ein
ausschlaggebender Hinweis. Gemeinsam mit Rütter suchte er nochmals das Haus
auf. Es schien, als habe der Hausherr hinter der Tür gewartet. Unmittelbar nach
dem Klingeln wurde die Tür von einem circa 40-jährigen Mann geöffnet.
Athletische Figur, verpackt in einem Muskel-T-Shirt und einer hautengen Jeans,
die im Schritt wahrscheinlich von einem aufgeplusterten Suspensorium ausgebeult
wurde. Keine Frage, diese Jeans trug er nicht um etwas zu verbergen, nein, dieser
Möchtegernadonis wollte protzen und vortäuschen, dass er mehr als üppig
ausgestattet war.
„Guten Tag, mein Name ist Hanson, ich bin der
Leiter der Kieler Mordkommission“, stellte Hanson sich vor.
„Gestern ist auf der anderen Seite der
Kreisstraße, in dem Waldweg, wo Sie den Jeep haben stehen sehen, ein junger
Kollege von mir erschossen worden. Höchstwahrscheinlich ist der Mörder mit
diesem Jeep geflüchtet“.
Der Hausherr, wie
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