Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
aufmerksam
geworden. Aufgrund seiner Müdigkeit hatte er die Anwesenheit dieses sehr jungen
Anklagevertreters nicht wahrgenommen. Gestriegelt und gebügelt saß er mit am
Tisch. Die Bemerkung gegenüber Pelka, sich um elf zur Besprechung zu treffen,
hatte er wohl auch auf sich bezogen. Scheißegal, nun war er hier, schaden
konnte es nicht. Wie ein großgewachsener Abiturient mit Schlips sah er aus. Er
wusste um sein jugendliches Aussehen. Mit klugen Reden, dachte Hanson, wollte
er dies anscheinend ständig und überall kompensieren. Vielleicht würde er in
einigen Jahren einen ganz passablen Staatsanwalt abgeben, der dann auch
kriminalistisch und taktisch zu denken gelernt hatte. Schwerverbrecher in
Aktion, wie Raubtiere in freier Wildbahn, dürfte dieser Laienspieler von Staatsanwalt
noch nicht gesehen haben.
„Wo bin ich unterbrochen worden, ach ja, Auto“,
meldete sich Gerber zurück.
„Im Wagen ist Dr. Beyer nicht erschossen worden.
Wir haben im Wageninneren, am Autohimmel, an den Innenscheiben und an den
Polstern keine Beschmauchung festgestellt. Jedenfalls zeigten die eingesetzten
Teststreifen keine Reaktion. In diesem Wagen ist nie eine Pistole abgefeuert
worden.
Gleichwohl fanden wir im Fußraum des Beifahrers
eine Subsonic-Hülse, sie ist dort offensichtlich vom Täter hindrapiert worden.
Sechs weitere Subsonic-Patronen fanden sich im Magazin der Pistole eine weitere
im Lauf der Waffe. Die Waffe selbst ist zur Zeit im Labor, sie wird dort nach
allen Regeln der Kunst auf alle möglichen Spuren untersucht.
Im Hosenumschlag des rechten Hosenbeines fanden
wir einen abgebrochenen Fingernagel, der von der Größe und vom Pflegezustand
nicht von dem Toten stammen kann. Möglich, dass der Nagel dem Täter bei oder
nach der Tatausführung abgebrochen ist. Das Schartenreliefsystem des Nagels
lässt eine individuelle Differenzierung und somit eine eindeutige Zuordnung zu
einer Person zu. Was ich sagen will, ist“, ergänzte Gerber, „dass wir von jedem
Verdächtigen Fingernagelabschnitte für Vergleichszwecke sichern müssen.
Die von uns im und am Fahrzeug gesicherten
Fingerabdrücke sind alle identifiziert, sie stammen ausschließlich vom toten
Dr. Beyer. Auf dem Fahrzeugdach, linke Seite, hinter der A-Säule, konnten wir
einen rechten Handschuhabdruck sichern. Der spurenverursachende Handschuh hat
im Daumenballenbereich eine Rechtsnaht und besteht aus unterschiedlich
strukturierten Lederteilen. Bitte Kollegen, achtet bei zukünftigen
Durchsuchungen in dieser Sache auf Lederhandschuhe mit Rechtsnähten. Auch der
Handschuh kann auf Grund seiner unterschiedlich genarbten Lederstrukturen, die
sich in der Spur klar abzeichnen, einwandfrei identifiziert werden“.
Bevor Gerber mit der vorläufigen operativen
Spurenauswertung in Sachen Bachner beginnen konnte, musste er dem
Kriminalhauptmeister Rütter noch den Unterschied zwischen Links- und
Rechtsnähten erklären, was er an Hand der Nähte seines Jeanshemdes
eindrucksvoll demonstrierte.
„Etwas ungewöhnlich“, fuhr Gerber fort, „ist die
Tatsache, dass wir im Kofferraum neben den üblichen Pannenutensilien wie
Wagenheber, Warndreieck, Verbandskasten und so weiter, einen 65 kg schweren,
gusseisernen Gullydeckel mit einem zu einem Kreis geflochtenen Seemannsknoten,
der sich als Relief hervorhebt, fanden. Dieser geflochtene Knoten spiegelt wohl
irgendein Emblem eines Küstenortes von Nord- oder Ostsee wider“.
In einem Brustton, der schon ans Überhebliche
grenzte, tönte Voß dazwischen, dass der Gullydecke bei diesen
Schneeverhältnissen eine plausible Erklärung in einem heckangetriebenen
Fahrzeug habe. „Ich selbst erhöhe mit Sandsäcken im Kofferraum zur Winterszeit
die Haftfähigkeit der Hinterreifen meines Daimlers“, folgte als Belehrung an
alle.
Erstaunlich, dachte Hanson, bislang waren deine
Einschätzungen genauso unzuverlässig wie die Wettervorhersagen. Aber dieser
Einwand war in sich logisch.
„Das kann, muss aber nicht die Erklärung sein“,
schaltete sich Hanson ein. „Wir geben ein Foto des Deckels in die Sachfahndung.
Soll die Fahndung recherchieren, welche Stadt ein solches Wappen führt. Dann
sehen wir weiter“.
„Unnütze Verschwendung von Mannpower, Herr
Hanson, wenn sie mir diese Bemerkung gestatten. Diese Ressourcen sollten Sie
...“.
„Stopp“, fuhr Hanson dazwischen. Das Wort, es
klang wie ein Peitschenhieb, hing noch in der Luft und lud die Atmosphäre auf.
„Solche Zwischenrufe gestatte ich nicht, Herr Voß, ich
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