Aurum & Argentum (German Edition)
dir die Bes keinen auf den Hals gehetzt haben.“
Der Häuptling seufzte resigniert, er hatte versucht, einen anzuheuern, doch ohne Bezahlung hatte sich keiner von den üblen Burschen mit dem berüchtigten Teufel des Berges anlegen wollen.
„ So weit, so gut“, Liselotte war längst noch nicht zufrieden. Entschuldigungen waren ja schön und gut, was jetzt noch fehlte, waren Taten. „Du musst irgendetwas tun, um dein selbstsüchtiges Verhalten wieder gut zu machen!“
Was zu viel war, war zu viel. Nun schüttelte der große Graue energisch mit dem Kopf, seine kleine Freundin war eindeutig zu weit gegangen.
„ Ich bin doch der Beraubte! Mit meinen Schätzen hätten sie sich viele Nutztiere kaufen können, die ich im Leben nicht alle zu fressen vermocht hätte! Dass sie sich meine Kostbarkeiten wieder haben wegnehmen lassen, ist nicht meine Schuld.“
Als Liselotte dies zu hören bekam, sträubten sich ihr sämtliche Federn, sie machte einen langen Hals, kniff ein Auge zu und als der Drache den Kopf herabsenkte, zwickte sie ihm blitzschnell in die Nase. Daraufhin gab er ein Jaulen von sich wie ein kleiner Fratz.
„ Schluss jetzt mit den Kindereien! Ich war dir viel zu lange eine nachsichtige Freundin. Folge dem Häuptling hinunter ins Dorf, oder …“ Sie vollendete ihre Drohung nicht, erreichte aber dennoch ihr Ziel. Der reumütige Drache senkte erneut sein Haupt.
„ Verfüge über mich, wie es dir beliebt, Häuptling. Dein Vater hat mich stets geachtet, so wie ich ihn. Du bist sein Nachfolger und ich nur ein alter Narr.“
„ Wahr gesprochen“, krähte seine Freundin, während der Medizinmann die Augen verdrehte und in Ohnmacht fiel.
Es dauerte seine Zeit, bis der Zwerg wieder auf den Beinen stand, er konnte sein Glück noch immer nicht fassen. Die Gelegenheit blieb ihm aber nicht, es zu verkraften, da Liselotte zum Aufbruch drängte. Es war schon Nachmittag und der Weg ins Tal lang. Sie hatte sich zwischen den Hörnern des großen Grauen niedergelassen, der inzwischen sogar seinen Namen verraten hatte: Salazar. So nannte man ihn und er war in Drachenkreisen wohlbekannt, wie er bemerkte. Früher war er einst noch gefürchteter gewesen als heute, zumindest bei den Drachenjägern. Mehr als einen von ihnen hatte er in der Blüte seines Lebens in die Flucht geschlagen, gefressen oder dazu bewegt, sein blutiges Handwerk aufzugeben. Auch die eine oder andere Prinzessin hatte er entführt – jedoch nicht etwa, um sie zu zerfetzen, sondern um sie vor einer Zwangsehe zu retten. Ja, das waren noch Zeiten gewesen, als er wie ein Nomade der Lüfte hoch droben am Himmel gekreist war und alle Wesen auf der Erde schon beim alleinigen Anblick seines Schattens in Ehrfurcht inne gehalten hatten.
Calep grinste nur dämlich, als er diese Anekdoten hörte. „Solches Seemannsgarn hat auch mein Großvater gesponnen! Er behauptete, einst ein Frauenheld und ein starker Ritter gewesen zu sein“, tuschelte er Flux ins Ohr, dessen Herz endlich aufhörte zu rasen. Leon, den Schreck seines Lebens noch verdauend, glaubte Salazar hingegen aufs Wort.
„ Alles gut und schön, doch nun lasst uns gehen!“, verlangte Liselotte und so kam es, dass bald darauf der Häuptling an der Spitze der Truppe hinab ins Tal ging, hinter ihm her trottete Salazar auf allen Vieren, mit respektvollem Abstand gefolgt von Calep und Flux. Leon bildete das Schlusslicht und stolperte mit Beelzebub hinterdrein, der sich im Übrigen während all dem Geplapper damit beschäftigt hatte, Insekten auf dem Plateau zu fangen. Sein Bauch war nun prall gefüllt, keine Schmeißfliege hätte mehr darin Platz gehabt.
Im Dorf der Bes war es mucksmäuschenstill. Im letzten Licht der untergehenden Sonne hatten die Bewohner die nahende „Prozession“ beobachtet. Kinder, Frauen und Männer, alle hatten sich versammelt und die Löffel sinken lassen, mit denen sie gerade den Wurzeleintopf aus ihren Holzschalen gegessen hatten. Die alten Damen saßen mit offenen Mündern noch immer bei dem großen Topf, hatten aber längst im Rühren inne gehalten.
„ Der Häuptling ist wieder da“, hauchte ein Junge andächtig, als der „Festzug“ angelangt war, „und er hat die Bestie gezähmt!“
Leises Gemurmel kam auf, die Bes mochten offenbar ihren Augen nicht recht trauen. Ihrem neuen Anführer, der bisher alles verbockt hatte, sollte dies gelungen sein? Das war unglaubwürdig, nein, es musste eine andere Erklärung geben!
„ Die Götter sind uns wieder wohl
Weitere Kostenlose Bücher