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Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Titel: Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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Rücken dran lehnte und immerfort spielte, da ging ein heimliches Rumoren
     und Gewisper unter den jungen Leuten rechts und links, die Burschen legten endlich ihre Sonntagspfeifen weg, jeder nahm die
     Seine, und eh ichs mir versah, schwenkte sich das junge Bauernvolk tüchtig um mich herum, die Hunde bellten, die Kittel flogen,
     und die Kinder standen um mich im Kreise und sahen mir neugierig ins Gesicht und auf die Finger, wie ich so fix damit hantierte.
    Wie der erste Schleifer vorbei war, konnte ich erst recht sehen, wie eine gute Musik in die Gliedmaßen fährt. Die Bauernburschen,
     die sich vorher, die Pfeifen im Munde, auf den Bänken reckten und die steifen Beine von sich streckten, waren nun auf einmal
     wie umgetauscht, ließen ihre bunten Schnupftücher vorn am Knopfloch lang herunterhängen und kapriolten so artig um die Mädchen
     herum, daß es eine rechte Lust anzuschauen war. Einer von ihnen, der sich schon für was Rechtes hielt, haspelte lange in seiner
     Westentasche, damit es die andern sehen sollten, und brachte endlich ein kleines Silberstück heraus, das er mir in die Hand
     drücken wollte. Mich ärgerte das, wenn ich gleich dazumal kein Geld in der Tasche hatte. Ich sagte ihm, er sollte nur seine
     Pfennige behalten, ich spielte nur so aus Freude, weil ich wieder bei Menschen wäre. Bald darauf aber kam ein schmuckes Mädchen
     mit einer großen Stampe Wein zu mir. «Musikanten trinken gern», sagte sie und lachte mich freundlich an, und ihre perlweißen
     Zähne schimmerten recht scharmant zwischen den roten Lippen hindurch, so daß ich sie wohl hätte darauf küssen mögen. Sie tunkte
     ihr Schnäbelchen in den Wein, wobei ihre Augen über das Glas weg auf mich herüberfunkelten, und reichte mir darauf die Stampe
     hin. Da trank ich das Glas bis auf den Grund aus und spielte dann wieder von frischem, daß sich alles lustig um mich herumdrehte.
    Die Alten waren unterdes von ihrem Spiel aufgebrochen, die jungen Leute fingen auch an müde zu werden und zerstreuten sich,
     und so wurde es nach und nach ganz still und leer vor dem Wirtshause. Auch das Mädchen, das mir den Wein gereicht hatte, ging
     nun nach dem Dorfe zu, aber sie ging sehr langsam und sah sich zuweilen um, als ob sie was vergessen hätte. Endlich blieb
     sie stehen und suchte etwas auf der Erde, aber ich sah wohl, daß sie, wenn sie sich bückte, unter dem Arme hindurch nach mir
     zurückblickte. Ich hatte auf dem Schlosse Lebensart gelernt, ich sprang also geschwind herzu und sagte: «Haben Sie etwas verloren,
     schönste Mamsell?» – «Ach nein», sagte sie und wurde über und über rot, «es war nur ein Rose – will Er sie haben?» – ich dankte
     und steckte die Rose ins Knopfloch. Sie sah mich sehr freundlich an und sagte: «Er spielt recht schön.» – «Ja», versetzte
     ich, «das ist so eine Gabe Gottes.» – «Die Musikanten sind hier in der Gegend sehr rar», hub das Mädchen dann wieder an und
     stockte und hatte die Augen beständig niedergeschlagen. «Er könnte sich hier ein gutes Stück Geld verdienen – auch mein Vater
     spielt etwas die Geige und hört gern von der Fremde erzählen – und mein Vater ist sehr reich.» – Dann lachte sie auf und sagte:
     «Wenn Er nur nicht immer solche Grimassen machen möchte mit dem Kopfe beim Geigen!» – «Teuerste Jungfer», erwiderte ich, «erstlich:
     Nennen Sie mich nur nicht immer Er; sodann mit dem Kopf-Tremulenzen, das ist einmal nicht anders, das haben wir Virtuosen
     alle so an uns.» – «Ach so!» entgegnete das Mädchen. Sie wollte noch etwas mehr sagen, aber da entstand auf einmal ein entsetzliches
     Gepolter im Wirtshause, die Haustür ging mit großem Gekrache auf, und ein dünner Kerl kam wie ein ausgeschossener Ladestock
     herausgeflogen, worauf die Tür sogleich wieder hinter ihm zugeschlagen wurde.
    Das Mädchen war bei dem ersten Geräusch wie ein Reh davongesprungen und im Dunkel verschwunden. Die Figur vor der Tür aber
     raffte sich hurtig wieder vom Boden auf und fing nun an mit solcher Geschwindigkeit gegen das Haus loszuschimpfen, daß es
     ordentlich zum Erstaunen war. «Was!» schrie er, «ich besoffen? ich die Kreidestriche an der verräucherten Tür nicht bezahlen?
     Löscht sie aus, löscht sie aus! Hab' ich euch nicht gestern übern Kochlöffel barbiert und in die Nase geschnitten, daß ihr
     mir den Löffel morsch entzweigebissen habt? Barbieren macht einen Strich – Kochlöffel, wieder ein Strich – Pflaster auf die
     Nase,

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