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Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen

Titel: Aus dem Leben eines Taugenichts - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Freiherr von Eichendorff
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noch ein Strich – wieviel solche hundsföttische Striche wollt ihr denn noch bezahlt haben? Aber gut, schon gut, ich
     lasse das ganze Dorf, die ganze Welt ungeschoren. Lauft meinetwegen mit euren Bärten, daß der liebe Gott am jüngsten Tage
     nicht weiß, ob ihr Juden seid oder Christen! Ja, hängt euch an euren eignen Bärten auf, ihr zottigen Landbären!» Hier brach
     er auf einmal in ein jämmerliches Weinen aus und fuhr ganz erbärmlich durch die Fistel fort: «Wasser soll ich saufen wie ein
     elender Fisch? Ist das Nächstenliebe? Bin ich nicht ein Mensch und ein ausgelernter Feldscher? Ach, ich bin heute so in der
     Rage! Mein Herz ist voller Rührung und Menschenliebe!» Bei diesen Worten zog er sich nach und nach zurück, da im Hause alles
     still blieb. Als er mich erblickte, kam er mit ausgebreiteten Armen auf mich los, ich glaubte, der tolle Kerl wollte mich
     embrassieren. Ich sprang aber auf die Seite, und so stolperte er weiter, und ich hörte ihn noch lange, bald grob, bald fein,
     durch die Finsternis mit sich diskurrieren.
    Mir aber ging mancherlei im Kopfe herum. Die Jungfer, die mir vorhin die Rose geschenkt hatte, war jung, schön und reich –
     ich konnte da mein Glück machen, eh man die Hand umkehrte. Und Hammel und Schweine, Puter und fette Gänse mit Äpfeln gestopft
     – ja, es war mir nicht anders, als säh ich den Portier auf mich zukommen: «Greif zu, Einnehmer, greif zu! jung gefreit hat
     niemand gereut, wers Glück hat, führt die Braut heim, bleibe im Lande und nähre dich tüchtig.»In solchen philosophischen Gedanken
     setzte ich mich auf dem Platze, der nun ganz einsam war, auf einen Stein nieder, denn an das Wirtshaus anzuklopfen traute
     ich mich nicht, weil ich kein Geld bei mir hatte. Der Mond schien prächtig, von den Bergen rauschten die Wälder durch die
     stille Nacht herüber, manchmal schlugen im Dorfe die Hunde an, das weiter im Tale unter Bäumen und Mondschein wie begraben
     lag. Ich betrachtete das Firmament, wie da einzelne Wolken langsam durch den Mondschein zogen und manchmal ein Stern weit
     in der Ferne herunterfiel. So, dachte ich, scheint der Mond auch über meines Vaters Mühle und auf das weiße gräfliche Schloß.
     Dort ist nun auch schon alles lange still, die gnädige Frau schläft, und die Wasserkünste und Bäume im Garten rauschen noch
     immerfort wie damals, und allen ists gleich, ob ich noch da bin, oder in der Fremde, oder gestorben. Da kam mir die Welt auf
     einmal so entsetzlich weit und groß vor und ich so ganz allein darin, daß ich aus Herzensgrunde hätte weinen mögen.
    Wie ich noch immer so dasitze, höre ich auf einmal aus der Ferne Hufschlag im Walde. Ich hielt den Atem an und lauschte, da
     kam es immer näher und näher, und ich konnte schon die Pferde schnauben hören. Bald darauf kamen auch wirklich zwei Reiter
     unter den Bäumen hervor, hielten aber am Saume des Waldes an und sprachen heimlich sehr eifrig miteinander, wie ich an den
     Schatten sehen konnte, die plötzlich über den mondbeglänzten Platz vorschossen und mit langen, dunklen Armen bald dahin, bald
     dorthin wiesen. Wie oft, wenn mir zu Hause meine verstorbene Mutter von wilden Wäldern und martialischen Räubern erzählte,
     hatte ich mir sonst immer heimlich gewünscht, eine solche Geschichte selbst zu erleben. Da hatte ichs nun auf einmal für meine
     dummen, frevelmütigen Gedanken! – Ich streckte mich nun an dem Lindenbaum, unter dem ich gesessen, ganz unmerklich so lang
     aus, als ich nur konnte, bis ich den ersten Ast erreicht hatte und mich geschwinde hinaufschwang. Aber ich baumelte noch mit
     halbem Leibe über dem Aste und wollte soeben auch meine Beine nachholen, als der eine von den Reitern rasch hinter mir über
     den Platz dahertrabte. Ich drückte nun die Augen fest zu in dem dunkeln Laube und rührte und regte mich nicht. – «Wer ist
     da?» rief es auf einmal dicht hinter mir. «Niemand!» schrie ich aus Leibeskräften vor Schreck, daß er mich doch noch erwischt
     hatte. Insgeheim mußte ich aber doch bei mir lachen, wie die Kerls sich schneiden würden, wenn sie mir die leeren Taschen
     umdrehten. – «Ei, ei», sagte der Räuber wieder, «wem gehören denn aber die zwei Beine, die da herunterhängen?» – Da half nichts
     mehr. «Nichts weiter», versetzte ich, «als ein Paar arme verirrte Musikantenbeine», und ließ mich rasch wieder auf den Boden
     herab, denn ich schämte mich auch, länger wie eine zerbrochene Gabel da über dem

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