Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
über die Täter, mit denen ich arbeite. Dementsprechend war ich selbstverständlich über die sadistischen, sodomistischen und nekrophilen Handlungen im Bilde. Einige Details – insbesondere zu den Opfererlebnissen des Täters in der Kindheit – waren mir zu Beginn des schriftlichen und persönlichen Kontaktes nicht bekannt. Die detaillierten Schilderungen seiner Opfererfahrungen haben viele der späteren Tatabläufe von Axel F. nicht nur vor dem Hintergrund der »Reinszenierung von Traumata« transparenter und nachvollziehbarer gemacht. Nachvollziehbarer natürlich vom wissenschaftlichen Standpunkt aus, auf der persönlichen Ebene ist es immer wieder erschreckend, von derartigen Ereignissen zu hören, sie mehr oder weniger direkt und ungefiltert zu erfahren. Es ist mir allerdings bewusst, dass Derartiges zur menschlichen Realität gehört und keinesfalls ausgeblendet werden darf. Das passiert viel zu häufig und verhindert angemessene Interventionen – auch auf der Ebene familiärer, therapeutischer und strafrechtlicher Interventionen. Viele Details sind in der Regel auch nicht bekannt oder verfügbar.
Das Forscherinteresse ist ab dem Zeitpunkt der Inhaftierung der Täter häufig relativ eingeschränkt oder unterliegt institutionellen Reglementierungen, die gründliche Analysen immer wieder erheblich erschweren und zum Teil sogar unmöglich machen. Das öffentliche Interesse ist sehr widersprüchlich. Es spiegelt sich hauptsächlich in Talkshows, die in der Regel nicht viel über den Serienmörder aussagen: Meist reden Menschen über den Täter, die ihn gar nicht kennen, häufig wird dann natürlich am Täter und den kriminellen Handlungen vorbeigeredet. Um die Hintergründe geht es meist nicht – oder nur sehr oberflächlich.
M.B.: Empfinden Sie die nekrophilen Handlungen schlimmer als andere Elemente der Taten? Oder weniger schlimm? Wie bewerten Sie die nekrophilen Anteile der Taten für sich und für den Täter?
P.K.: Schlimm sind alle Taten – ohne Zweifel. Ich denke nicht, dass man da überhaupt von »mehr oder weniger schlimm« sprechen kann. Der Täter hat – simpel formuliert – mit seinen nekrophilen Taten Traumata der Kindheit und Jugend kompensiert, hat sich schlicht am »leblosen Objekt« – mehr waren die Verstorbenen für ihn nicht – ausagiert und früh seinen fortschreitenden Sadismus gezeigt.
Während dieser Zeit quälte er schon lange wehrlose Kleintiere, verstorbene Menschen waren noch wehrloser und eigentlich – da es sich um Menschen handelte – weit eher sein Zielobjekt. Seine Frustration, seine Traumata bezogen sich auf Menschen – nicht auf Tiere. Tragisch ist es, dass er die Praktiken, die er an lebenden Tieren und postmortal am Menschen anwendete, später prämortal verübte – also am lebenden Menschen. Sein Sadismus war kurz vor seiner Verhaftung ja kaum noch zu überbieten.
Meine Schwerpunkte mit Axel F. lagen und liegen – unsere Arbeit ist nicht beendet – in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Frage nach dem »Warum«. Die nekrophilen Taten werden zwar analysiert – aber eben nur unter anderem. Im Vorfeld der nekrophilen Taten verübte Axel F. ja bereits massivste Tierquälereien und praktizierte auch sodomistische Akte. Katastrophal geradezu, dass das Umfeld auf diese extremen Signale überhaupt nicht reagiert hat. Das ist leider auch keine Seltenheit. Möglicherweise wäre seine Täterkarriere noch – wenigstens teilweise – zu stoppen gewesen. Tierquälerei wird leider immer wieder bagatellisiert und als präpubertäres Probierverhalten fehlinterpretiert. Das ist eine gefährliche Sache!
Munro und Thrusfield haben darauf hingewiesen, dass Tatmuster an Tieren und Kindern gleich sind, Gebhard stellte bereits 1965 fest, dass 33 Prozent der Täter, die Kinder und Jugendliche sexuell missbrauchen, ebenfalls sodomistische Grausamkeiten verübten. Überproportional häufig quälen, missbrauchen und töten spätere Serienmörder in der Kindheit oder Jugend Tiere. Es ist unverständlich, warum dieser Aspekt so oft – in der Familienarbeit, in präventiven Bereichen und auch bei Ermittlungsarbeiten – ignoriert wird. Bei Bundy war das bekannt, bei Dahmer, Berkowitz, bei Kroll, Kürten, Großmann, Denke, Henry Lee Lucas, Gust, Rieken und unglaublich vielen anderen Tätern. In diesem Zusammenhang werde ich auch immer wieder auf Frank Gust angesprochen (der »Rhein-Ruhr-Ripper« brach schon als Jugendlicher in Leichenschauhäuser ein und tötete
Weitere Kostenlose Bücher