Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Titel: Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Mark;Benecke Benecke
Vom Netzwerk:
unterscheidet sich da nicht von anderen Menschen. Diese Entwicklungsverläufe sind – wenn man sie genau betrachtet – durchaus zu erklären.
    Um die Dinge nachvollziehen zu können, bedarf es immer einer ausgiebigen, sehr zeitaufwendigen Analyse. Ich verbringe sicherlich Hunderte von Stunden nur mit einem einzigen Fall. Es gibt zwei aktuell inhaftierte Täter in Deutschland (von denen ich weiß, sicher gibt es weit mehr), die ganz ähnliche Lebenskarrieren aufweisen, auch die Tathandlungen weisen große Parallelen auf – nicht »nur« was nekrophile Muster, sondern auch tierquälerische Elemente und den Sadismus gegenüber menschlichen, lebenden Opfer betrifft. Bei fast allen Tätern zieht sich das pathologische Familiengefüge destruktiv durch die Lebensgeschichte. Die Täter haben bis heute nicht nur die familiären Interaktionen nicht adäquat aufgearbeitet, viele idealisieren die Mutter und hassen den Vater – sicherlich nicht völlig zu Unrecht. Sie haben maßgeblichen Anteil an der Entwicklung, manchmal sind die Eltern auch diejenigen, die die Kinder quälen, sexuell missbrauchen und vermieten.
    M.B.: Wie und warum endete der Briefwechsel?
    P.K.: Warum sollte der Kontakt enden? Neben der Korrespondenz finden nach wie vor persönliche Termine statt. Unsere Arbeit ist nicht beendet. Ich beschäftige mich mit mehreren Tätern – generell sehr intensiv –, der Kontakt sollte idealerweise möglichst über Jahre stattfinden. Viele Aspekte müssen ausgelotet und auch qualitativ erforscht werden. Eine bestimmte Vertrauensbasis ist in allen zwischenmenschlichen Interaktionen notwendig, bei dieser Arbeit ist sie allerdings umso wichtiger.Ohne dass Vertrauen besteht, wird man nichts oder viel zu wenig über den Täter und seine kriminellen Handlungen erfahren, keine Hintergründe aufdecken bzw. erforschen können usw.
    Klar ist, dass ebenfalls grundsätzlich eine Distanz bestehen muss – da ist kein Widerspruch vorhanden. Vertrauen braucht Zeit, gründliche Analysen sowieso und immer eine angemessene Distanz. Das funktioniert auch in anderen zwischenmenschlichen Interaktionen so – nicht nur in der Täterarbeit.
    M.B.: Wie werten Sie die Aussage der Mutter des Täters, sie habe die Briefe und Mitteilungen ihres Sohnes einfach nicht mehr ausgehalten und daher jeden Kontakt mit ihm abgebrochen?
    P.K.: Häufig sind es gerade die Mütter, die sich »mitschuldig« fühlen. Manchmal sind sie das auch – nicht umsonst findet sich ja eine pathologische Familienstruktur in der Kindheit fast aller späteren Täter. Die Mutter spielt da eine große Rolle – der Vater häufig ebenfalls. Sicherlich ist das als ein »Schutzmechanismus« der Mutter zu werten, vermutlich spielen da auch noch andere Aspekte eine Rolle.
    M.B.: Welche zum Beispiel?
    P.K.: Der Täter hat während seines Gefängnisaufenthalts sehr viel Zeit, alles Revue passieren zu lassen. Das heißt, dass er nicht nur über seine Straftaten, sondern meist auch über seine Kindheit und Jugend, über die Ursachen seines Handelns, seine Entwicklung und eventuelle »Mitschuldige« nachdenkt. Klar gibt es dann mal retrospektive Verzerrungen in seiner Erinnerung – keine Frage. Gänzlich falsch sind die Erinnerungen aber sicherlich nicht.
    Die Eltern der Täter widmen sich logischerweise nicht derart akribisch ihrer Vergangenheit oder der Vergangenheitsbewältigung. Das Interesse an einer »Mitverantwortung« oder sogar »Mitschuld« der Mutter oder des Vaters ist verständlicherweise nicht vorhanden. In den Medien werden die Täter als furchtbare »Monster« dargestellt. Es gibt bestimmt keine Mutter, die Wert darauf legt, mit der »monströsen« Entwicklung ihres Kindes in Verbindung gebracht zu werden  …  Die Eltern setzen sich alsooft – nicht immer – auf einer verhältnismäßig oberflächlichen Ebene mit den Geschehnissen auseinander und versuchen, die Entwicklung des Kriminellen als verhältnismäßig unauffällig und sogar positiv darzustellen – bis zu einem bestimmten Punkt natürlich. An ihrem eigenen Verhalten entdecken sie nur sehr selten Defizite, und wenn, dann sind es minimale Fehler gewesen  …  sagen sie. Auf den Prüfstand werden die Aussagen der Eltern nicht gestellt – warum auch, sie haben die Morde nicht begangen, ein Schuldiger reicht, jedenfalls der allgemeinen Öffentlichkeit.
    Eine Hypothese: Wenn Ihr Sohn – okay, Sie sind vielleicht eine Ausnahme – derartige Delikte verübt hätte, würden Sie sich nicht auch als

Weitere Kostenlose Bücher