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Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen

Titel: Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Mark;Benecke Benecke
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sind: die Toten, die Leidenden, die Familien, die Täter, die Freunde. Die einzige Methode, Verbrechen zu besiegen, ist, sie zu verstehen und ihnen dadurch vorzubeugen. Davon bin ich nach zwanzig Jahren Arbeit in Sachen Mord und Totschlag zunehmend überzeugt.
Kolumne 1: Mordlust
    Als Biologe, der als Kind am liebsten mit dem Chemiebaukasten gespielt hat, stolperte ich vor Gericht zu Beginn meiner Sachverständigentätigkeit des Öfteren herum: Dass nicht jedes Umbringen gleich ein Mord sein sollte, wunderte mich; ebenso die Tatsache, dass eine »Tötung auf Verlangen« meist eine fette Haftstrafe nach sich zog.
    Warum, fragte ich mich, landet einer im Bau, nur weil er jemanden getötet hat, der erstens unbedingt umgebracht werden wollte, und das zweitens per Video und schriftlich lange Zeit festgelegt hat? Warum ist es dann aber umgekehrt straffrei, wenn ein Freunddem anderen, der an einer schweren, unerträglichen Erkrankung leidet, den Giftbecher bereitet und reicht?
    Die JuristInnen unter Ihnen raufen sich bereits die Haare. »Das ist doch alles im Gesetz und seinen Kommentaren festgelegt!«, sagen Sie sich, und wenn Sie aus Köln stammen, ergänzen Sie sogar noch ein alles hinfortwischendes »Watt soll der Quatsch?«. Prima – denn jetzt wirbeln wir das Ganze einmal durch.
    Im winzigen Kaff Bodenfelde wurden zwei Kinder getötet, allerdings aus Mordlust. »Allerdings«? Ja, denn beim Verschwinden der Kinder hatte jeder sofort an einen sexuellen Grund für die Taten gedacht, nicht aber an Spaß am Töten. Warum eigentlich? Es gibt doch so viele Gründe und Arten, zu töten: aus Habgier, mit Heimtücke, grausam, gemeingefährlich, um eine andere Tat zu verdecken und so weiter.
    Schwirrt es schon in Ihrem Kopf? In meinem auch. Und das war erst der Anfang. Es gibt ja noch Doppel-, Meuchel-, Serien-, Tyrannen- und Völkermorde, Massenmorde, politische Morde und Selbstmordattentate.
    Warum um alles in der Welt ist es also so erleichternd (»wenigstens kein Sexualdelikt!«) und gleichzeitig so grauenvoll, dass der Bodenfelder Täter aus Mordlust tötete, wo doch auch sonst allerorten gemeuchelt, hingerichtet und niedergestreckt wird?
    Das liegt eben daran, dass die kristalline Mordlust für niemanden nachvollziehbar ist, der nicht alle Schrauben locker hat. Denn jeder kennt Gier oder Neid, sexuelle Wünsche, Wut, Faulheit und all die übrigen Hauptlaster, um die sich die Religionen drehen. Tötungen, die wegen dieser »Sünden« begangen werden, nehmen wir zwar nicht hin, können sie aber zumindest entfernt nachvollziehen. Irgendwie haben Sie auch etwas mit uns zu tun. Daher hassen wir die Täter auch so.
    Bei der Mordlust sieht es anders aus. Für sie gibt es keinen noch so entfernten Grund mehr, keinen Halt, der sich unserem Gehirn bietet, keinen noch so widerlichen Sinn, nichts. Die Opfer sind austauschbar und werden damit im Leben wie im Tod egal. Manchmal quälen mordlüsterne Täter ihre Opfer, meist aber nicht einmaldas. Sie wollen einfach töten. Irgendwen. Mordlust ist leer, kalt, einsam, dumm, verzweifelt. Sie ist die geronnene Abwendung von dem, was Menschen einander nach Zigmillionen Jahren Entwicklungsgeschichte geben könnten – wenn sie es halt könnten.
    Wer mit mordlüsternen Tätern arbeitet, den erfasst der Hauch des absoluten Nichts. Und davon kann sich niemand erholen.
Kolumne 2: Das Böse ist ein blöder Witz
    Das reizt viele österreichische BoulevardjournalistInnen bis aufs Blut: Die deutsche BILD hat ihnen, während das aktuelle Buch von Natascha Kampusch in den Schaufenstern sie ablenkte, die Story der Jahres gestohlen. Die Pförtner hatten die beiden Piefke-Journalisten zu Josef Fritzl, wegen – O-Ton – »Blutschande, dreitausendfacher Vergewaltigung und Sklavenhandel« verurteilt, angeblich nur nach Vorlage der Presseausweise durchgelassen. Das »Monster« plauderte mit den beiden sodann über eine Stunde lang »ungestört und alleine«, ließ sich fotografieren und unterschrieb sogar noch die nötigen Einwilligungen. »Wir haben am Eingang gefragt, ob wir Herrn Fritzl interviewen könnten, und nach fünf Minuten waren wir drin«, berichtete Wolfgang Ainetter dem Österreicher Kolumnisten des südlichen Boulevard-Pendants Kronen-Zeitung : »Unter uns, Kollege Jeannée, das war eine superleichte Übung.«
    So weit, so bizarr. Der Nervenkitzel eines Besuchs in der Höhle von Monstern entsteht wohl durch das Gefälle zwischen dem als unmenschlich wahrgenommenen Täter, der die

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