Aus der Dunkelkammer des Bösen - Benecke, M: Aus der Dunkelkammer des Bösen
weder Eis noch ausgehustetes Material (Atemnot), sondern einfach Schimmelpilze sind, kann man sich schon weniger denken, wenn man noch nicht mit solchen Leichen zu tun hatte. Und doch war es in diesem Fall so.
Am meisten rätselte ich, warum das Medium meinte, unser Blutspurenfall habe in einem Keller stattgefunden. Doch auch für diese Ableitung gibt es eine Denkmöglichkeit: Das Foto erscheint in gelblich-fahlem Licht, wie es früher durch funzelige Glühbirnen in manchen Kellern herrschte. Weil ich das Bild damals analog fotografiert hatte und die Farbkorrektur im Labor seinerzeit noch nicht ohne Weiteres auf Taglichtstimmung schaltete, konnte beim Medium leicht die Vermutung entstehen, dass der Mord in einem Keller geschehen war. Doch das stimmte nicht.
Kein visionäres Vermögen
Dieses ratend-vorantastende Vorgehen erklärt auch, warum das Medium nach eigener Aussage am echten Tatort mehr wahrnehmen würde als aus den Bildern oder Bildausschnitten: Dort würden ja wirklich viel mehr Informationen vorliegen, die sich sinnvoll verknüpfen ließen. Dass das Medium aber im »Fall« der toten Zigarettenschachtel einen Tatbeteiligten sah und diesen auch zeichnerisch darstellen konnte, wo es keine Tat gab, beweist ihr Unvermögen, wirklich zu helfen. Dasselbe gilt im Fall 1 für die Fehlbeschreibung der toten Person beim Muttermord (angeblicher Mann statt in Wahrheit toter Frau) sowie im Fall 2 (O. J. Simpson) für das Übersehen der Hauptverletzung (Halsschnitt) und des zweiten Toten. Auch bizarre Umstände wie die »Enterdigung« und das Verbrennen des Herzens im Fall des »Vampirs« hätten aus Ermittlungssicht einen Niederschlag in Visionen finden müssen, um hilfreich zu sein, denn das Ausgraben der Leiche war das Verbrechen, nicht deren natürlicher Tod.
Am interessantesten wären noch die Treffer bezüglich der Eisenbahnschienen im Zigarettenschachtelfall, die es ja zumindest in der Nähe des Fundortes der Schachtel gibt, sowie zur ungefähren Lage des Toten beim Kölner Blutspurenfall gewesen. Solche Glückstreffer sind zumindest anerkennenswert und erklären, warum sich Außenstehende vielleicht eine nutzbare Einsatzmöglichkeit für Medien erhoffen.
Da sich aber vorab überhaupt nicht klären lässt, welche der Hinweise des Mediums korrekt sind, erleichtern übersinnlich gewonnene Angaben die Ermittlungen nicht, sondern erschweren sie. Natürlich könnte die Zigarettenschachtel in Fall 5 aus einem Auto stammen, das früher oder später einmal in ein Verbrechen verwickelt war oder sein wird. Der bis zur Widerlegung nächstliegende Schluss ist aber, dass die Seele nach dem Tod eines Menschen nicht existiert beziehungsweise nicht als Energie vorliegt, die etwas kriminalistisch Verwertbares mitteilen kann.
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Psychologisches zu Medien oder: Warum macht das Medium einen test mit, obwohl es schon oft gemerkt haben muss, dass seine Vorhersagen nicht stimmen?
Die Visionen, die das Medium immer wieder zu erhalten meint, klingen dramatisch und aufregend. Sie sagt, dass grauenvolle Bilder von Verbrechen immer wieder auf sie einströmen, dass sie übernatürliche Wesen wahrnimmt und eine Botschafterin ist, die Informationen aus der Geisterwelt in die Welt der Lebenden übermittelt.
Menschen, die solche Geschichten erzählen und tatsächlich auch daran glauben, können dadurch ihr Selbstwertgefühl aufbessern. Oft haben sie im Leben Probleme gehabt, wegen derer sie daran zweifelten, ein wertvoller Mensch zu sein. Sie wurden von Eltern und Gleichaltrigen kaum beachtet oder sogar niedergemacht. Häufig mussten diese Menschen schon als Kinder immer nur funktionieren und Leistung erbringen, sich beispielsweise um Geschwister kümmern und viel im Haushalt helfen oder immer gut in der Schule und im Ballettunterricht sein. Sie haben daher das Gefühl entwickelt, als Personen unwichtig zu sein und für andere uninteressant, es sei denn, sie »verdienen« sich die Aufmerksamkeit durch ihr Verhalten. Weil diese Menschen in ihrer Kindheit meist wenig Zuwendung bekommen haben, hat sich in ihnen der Eindruck verfestigt, kein Mensch würde auf Dauer um ihrer selbst willen zu ihnen stehen. Deshalb haben sie Verhaltensweisen entwickelt, mit denen sie die Aufmerksamkeit anderer Menschen auf sich lenken können. Wenn sie andere an sich binden und von ihnen beachtet werden wollen, meinen diese Personen, dafür eine oft theaterreife Show bieten zu müssen. Gelingt es ihnen, dass andere Menschen ihnen dafür Beachtung schenken und
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