Aus Eifersucht kann Liebe werden: Die Heilung eines ungeliebten Gefühls
dabei auch nicht genügend helfen. Wir verbinden zwar mit jeder Liebesbeziehung immer auch die Hoffnung, dass wir jene Vernachlässigung überwinden können, die wir in der Kindheit erlebt haben. Wir hoffen, dass uns die Liebe des Partners, seine Anerkennung und Zuwendung, heilt. Doch gerade dies gelingt bei der massiven Eifersucht nicht. Denn man sieht ja im Partner den Hauptschuldigen.
Deshalb geht – zumindest bei der massiven Eifersucht – kein Weg an einer Therapie vorbei. Allerdings hat jeder Eifersüchtige eine große Skepsis hinsichtlich einer Psychotherapie. Er vertraut anderen Menschen wenig, wie könnte er sich da auf eine Therapie einlassen? Deshalb schreibt Elias Canetti: »Von allen schwierigen Unternehmungen dieser Welt ist nichts so schwer wie die Heilung des Eifersüchtigen.« Das stimmt, und die größte Aufgabe des Therapeuten besteht deshalb darin, den Eifersüchtigen emotional zu gewinnen.
Herzenswärme ist die Basis
Als Psychotherapeut hat man nur eine Chance, wenn man ernsthaft bemüht ist, einen eifersüchtigen Menschen zu verstehen. Er muss nachvollziehen können, welche Dramen sich in der Kindheit abgespielt haben. Er sollte in der Lage sein, viel Herzenswärme, viel Anerkennung zu geben. Und er sollte die große Skepsis des Eifersüchtigen respektieren und ihm in der Behandlung eine sehr zuverlässige Welt anbieten.
Doch zunehmend wird dann der Therapeut selbst die Überempfindlichkeit, die Eifersucht des Patienten spüren. Die meisten Therapeuten arbeiten sehr gut, sind sehr bemüht und können vielen Menschen helfen. Aber auch die Zuwendung eines Therapeuten ist gelegentlich schwankend, er kann manchmal müde oder krank sein oder er ist noch in Gedanken, weil er eine andere Therapiesitzung noch nicht verarbeitet hat.
Meist ist es ganz harmlos menschlich, wenn ein Psychotherapeut seelisch etwas abwesend wirkt. Doch für einen eifersüchtigenMenschen beginnt fast immer ein Drama. Wie ein Seismograph spürt der Eifersüchtige genau, ob der Therapeut seelisch präsent ist. Und jedes Nicht-beachtet-Werden erlebt er als große Kränkung. Doch wenn er mutig ist, spricht er dies sofort an. Es ist ein wichtiges Ziel der Behandlung, dass eifersüchtige Patienten ihre Gefühle – mehr oder weniger geschickt – ausdrücken lernen. Dass sie lernen, Fragen zu stellen und nicht gleich mit Vorwürfen zu agieren. Insofern ist es ein großer Fortschritt, wenn ein Patient mit leichter Gereiztheit fragt: »Warum sind Sie jetzt nicht richtig da?« Ich hole nach einer solchen Frage erst einmal tief Luft. Psychotherapeuten sind auch nur Menschen, und die Gefahr besteht, dass ich mich rechtfertige. Aber ich habe mir angewöhnt, dass ich auf solche Fragen ehrlich antworte.
Oft antworten Psychotherapeuten auf eine Frage mit einer Gegenfrage: Warum interessiert Sie das? Doch ich finde es wichtig, dass meine Patienten wissen, warum ich manchmal nicht richtig zuhören kann. Sie spüren dann, dass dies mehr mit mir, weniger mit ihnen zu tun hat. Denn meist sind die Gründe sehr harmlos. Ich denke noch an einen anderen Patienten, der lebensgefährlich erkrankt ist. Oder aufgrund einer massiven Hitzewelle habe ich leichte Kreislaufprobleme. Und solche Erklärungen können Patienten sehr entlasten, wenn die Zuwendung ansonsten stabil ist. So sagte eine Patientin einmal zu mir: »Es ist erleichternd für mich zu sehen, dass diese kleinen Beziehungsabbrüche mehr mit Ihnen zu tun haben. Ich dachte früher immer, dass Sie sich von mir zurückziehen würden. Irgendwie hatte alles einen Bezug zu mir … aber das ist offenbar nicht so. Manchmal sind Sie eben auch überfordert, krank, in Gedanken … haben einen schlechten Tag. Offenbar sind auch Therapeuten nicht immer perfekt.«
Wir sprachen dann lange über ihre Kindheit, die Unzuverlässigkeit in der emotionalen Zuwendung. Und ihr wurde immer deutlicher, dass der Rückzug anderer Menschen meist nichts mit ihr zu tun hatte. Und diese Erkenntnis konnte sie dann auch auf die Partnerschaft übertragen.
Die zu enge Welt
Die wichtigste Grundlage der Behandlung besteht darin, den Patienten emotional zu nähren. Aber auf dieser Basis hat die Therapie auch die Aufgabe, dem Patienten bei der Überwindung seiner Lebensdefizite zu helfen. Denn die Eifersucht ist – so Elias Canetti – »… eine Verengung der Gedanken und der Luft, als hätte man in einem kleinen Zimmer zu leben, aus dem es kein Entkommen gibt«. Die Therapie hat deshalb immer die Ausweitung des Lebens zum
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