Aus heiterem Himmel: Ein Südstaaten-Krimi von TrueBlood-Autorin Charlaine Harris (Aurora Teagarden) (German Edition)
Dryden vorsichtig. „Es wird eine Autopsie geben.“
Damit war die Sache klar: Dieser Dryden war für Bess ein Fremder, selbst wenn Jack ihn vielleicht gekannt haben mochte. Denn in Lawrenceton wusste jeder, dass man im Hause Burns nur das Jasper Funeral Home mit einer Beerdigung betrauen würde. Jerry Saylor vom Saylor Funeral Home war früher einmal mit Bess ’ Schwester verheiratet gewesen, hatte sich aber scheiden lassen. Mutter und ich warfen uns einen Blick zu, der Dryden nicht entging. Er wusste, dass er etwas Entscheidendes gesagt hatte, ahnte aber beim besten Willen nicht, was. Ich sah, wie er kurz grübelte, es dann aber wieder aufgab.
„Der Termin für die Beerdigung wird doch sicher morgen in der Zeitung im Nachruf bekannt gegeben?“ Mutter ließ nicht locker.
Jetzt verstand der Mann deutlich nur noch Bahnhof.
„Ich bin sicher, das wird der Fall sein“, meinte er tapfer.
Wir glaubten ihm kein Wort.
„Jack Junior und Romney sollten sich mit dem Nachhausekommen beeilen“, verkündete meine Mutter düster und stieg mit ihren langen, eleganten Beinen voran in ihr Auto.
Ich fuhr ganz langsam nach Hause. In meinem Kopf waren mehr Fragen, als ich bei der Hinfahrt gehabt hatte.
Kapitel 2
„Ich glaube, Dryden und Pope – O’Riley, meine ich – waren irgendwelche Agenten“, erzählte ich Martin, als der sich am Abend seine kastanienbraune Pyjamahose anzog. Martin trug immer nur die Hose, außer in ganz kalten Nächten, und von denen bekamen wir in Lawrenceton nicht viele. Mir war noch immer nicht ganz klar, was ich mit den Oberteilen machen sollte. Manchmal trug ichsie selbst. „FBI oder CIA oder Bundespolizei.“
„Solange sie kein Interesse an mir hatten.“ Martin zuckte mit den Schultern.
„Du bist doch jetzt aus allem draußen. Mit dir kann Jacks Tod nichts zu tun gehabt haben, egal, wer ihn untersucht.“
Den geheimen Teil von Martins Leben zu entdecken, war der härteste Schlag gewesen, den ich jemals hatte verkraften müssen. Martin war der geborene Freibeuter und hatte nach Ende des Vietnamkrieges seine Abenteuerliebe eine Weile durch einen kurzen Job bei einer zwielichtigen, von der CIA finanzierten Firma befriedigt. Nachdem er angefangen hatte, für Pan-Am Agra zu arbeiten, war die CIA erneut an ihn herangetreten und wieder hatte sich mein Liebster in streng geheime Abenteuer gestürzt. Unsere Ehe war erst durch Martins vollständigen Rückzug aus dem Waffenschmuggel, den er auf seinen legalen Geschäftsreisen für Pan-Am Agra nach Mittelamerika abgewickelt hatte, möglich geworden.
Inzwischen hatte ich mich davon erholt, dass mir Martin nicht schon vor unserer Hochzeit komplett reinen Wein eingeschenkt hatte, aber das hatte eine Weile gedauert. Ein paar Monate lang hatte eine Trennung durchaus im Bereich des Möglichen gelegen.
Ich erinnere mich nur ungern an diese Zeit, aus der im Übrigen auch Angel und Shelby stammten, in denen ich inzwischen aber eher meine Freunde und Angestellten als unsere Leibwächter sah. Meistens wenigstens. Martin hatte sich bei seinen heimlichen Geschäften Feinde gemacht, und er musste oft verreisen, da schien die Unterbringung von Shelby und Angel in den Räumen über unserer Garage eine weise Vorsichtsmaßnahme. Shelbys Job bei Pan-Am Agra hatte anfangs nur der Tarnung gedient, eigentlich hatte er auf mich aufpassen sollen. Inzwischen sah es aber so aus, als hätte er in der Firma eine echte Karriere vor sich. Er war zum Vorarbeiter befördert worden, und am Horizont zeichnete sich bereits die nächste Beförderung ab. Wenn ich darüber nachdachte, schien mir das am merkwürdigsten an der ganzen Affäre.
Während ich mit einem Betttischchen auf den Knien und einem Kreuzworträtselbuch darauf in unserem großen Doppelbett hockte, ging mir durch den Sinn, dass Martin und Jack einiges gemeinsam hatten. Beide waren zähe Männer, die sich Feinde gemacht hatten.
Jack, der jetzt Anfang fünfzig gewesen sein dürfte, hatte den größten Teil seiner Karriere bei der Polizeitruppe von Lawrenceton verbracht, bis auf einen kleinen Abstecher nach Atlanta. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte der nicht länger als vier Jahre gedauert und ihn mit einem abgrundtiefen Hass auf diese Großstadt infiziert. So gut wie keinem von uns gefielen die neuesten Entwicklungen. Aber mehr als jedem anderen Bürger unserer Stadt war Jack die Tatsache zuwider gewesen, dass Lawrenceton mehr und mehr von dem ständig größer werdenden Moloch der Metropole Atlanta
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